Coronavirus Risiko für Herzmuskelentzündungen bei Infizierten höher als bei Geimpften

Bereit zum Spritzen: Impfungen gegen das Coronavirus
Foto: Karina Hessland / IMAGOFieber, Schüttelfrost, Schmerzen an der Einstichstelle: Nach einer Impfung gegen das Coronavirus kann es zu solchen Impfreaktionen kommen. In seltenen Fällen können auch schwere Nebenwirkungen auftreten. Besonders die Meldungen von vereinzelten Herzmuskelentzündungen nach Impfungen mit den mRNA-Impfstoffen (Biontech und Moderna) verunsichern manche Menschen. Zwei groß angelegte Studien kommen zu dem Ergebnis, dass zwar das Risiko für eine Herzmuskelentzündung nach einer Impfung besteht. Sie zeigen aber auch, dass das Risiko durch eine Infektion mit dem Coronavirus deutlich größer ist, so eine Entzündung zu bekommen.
Für ihre im Fachmagazin »Nature Medicine« veröffentlichte Studie haben britische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysiert, wie oft Menschen innerhalb von 28 Tagen nach einer Impfung wegen einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis), Herzbeutelentzündung (Perikarditis) oder Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus aufgenommen wurden oder an einer dieser Erkrankungen gestorben sind. Die Forschenden untersuchten auch, wie oft dies nach einem positiven Coronatest der Fall war. Dabei nutzten sie die Daten von vielen Millionen Menschen.
Mehr Fälle unter Corona-Positiven
Es zeigte sich, dass innerhalb von 28 Tagen nach einer einfachen Impfung mit dem Mittel von Biontech/Pfizer zusätzlich eine Myokarditis-Erkrankung pro eine Million Menschen auftrat. Bei einer einfachen Impfung mit dem Moderna-Impfstoff waren es sechs Herzmuskelentzündungen pro eine Million Menschen. Zehn solcher Fälle pro eine Million Menschen wurden zusätzlich nach der zweiten Moderna-Dosis beobachtet.
Zum Vergleich: Unter den Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, traten innerhalb von 28 Tagen pro eine Million Menschen 40 zusätzliche Herzmuskelentzündungen auf. Bei den Sars-CoV-2-Positiven wurde außerdem ein erhöhtes Risiko für Perikarditis und Herzrhythmusstörungen beobachtet. Diese Erkrankungen sind jedoch nur einige von vielen Risiken bei einer Coronainfektion.
Nach den Impfungen konnte das erhöhte Risiko für eine Perikarditis und Herzrhythmusstörungen nicht nachgewiesen werden, abgesehen von einem leicht erhöhten Risiko für Herzrhythmusstörungen nach der zweiten Moderna-Dosis.
Nach Angaben der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ergab eine Subgruppenanalyse nach Alter, dass ein erhöhtes Risiko für eine Myokarditis nach der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen nur bei Personen unter 40 Jahren vorhanden war.
Diese Erkenntnis passt zu den Ergebnissen einer dänischen Studie, die gerade im »British Medical Journal« (BMJ) veröffentlicht wurde. Für diese Untersuchung konnten die Forschenden auf Daten von rund fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern Dänemarks zurückgreifen, die zwölf Jahre oder älter sind. Rund vier Millionen davon wurden von Oktober 2020 bis Oktober 2021 mit einem mRNA-Impfstoff geimpft.
Nach Angaben der Autorinnen und Autoren entwickelten innerhalb von 28 Tagen nach der Impfung mit den Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna 48 beziehungsweise 21 Menschen eine Herzmuskelentzündung oder eine Myoperikarditis (Herzmuskelentzündung, bei der auch der Herzbeutel betroffen ist). Das Risiko einer solchen Entzündung ist demnach besonders bei Menschen im Alter von 12 bis 39 Jahren nach einer Impfung mit dem Moderna-Impfstoff erhöht, während die Impfung mit dem Mittel von Biontech/Pfizer mit einem erhöhten Risiko für Frauen assoziiert ist. Die absolute Zahl der Fälle sei aber auch in der jüngeren Altersgruppe niedrig, schreiben die Forschenden.
Darüber hinaus stellten sie fest, dass Geimpfte bei beiden Vakzinen ein geringeres Risiko hatten, an einem Herzstillstand zu sterben, als Ungeimpfte. Mit dem Coronavirus infizierte Menschen hatten außerdem innerhalb der 28 Tage nach dem positiven Test im Vergleich zu nicht Infizierten ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Herzstillstand oder Tod.
»Die Studie bestätigt, was bereits über impfstoffassoziierte Myokarditis bekannt ist – dass sie selten ist, aber sie existiert«, schreibt der Mediziner Walid F. Gellad in einem Editorial zu der dänischen Studie im »BMJ« . Überraschend sei, dass die Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff nur bei Frauen mit Entzündungen am Herzen assoziiert werden konnte. Das sei nicht vereinbar mit bisherigen Daten und schwer zu erklären, schreibt Gellad.
Er betont den großen Nutzen und die hohe Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe. »Die Risiken einer Myokarditis oder Myoperikarditis sind gering und müssen gegen diese vielen Vorteile abgewogen werden.«
Berichte über Herzmuskelentzündungen nach Impfungen mit einem mRNA-Mittel gab es erstmals im April dieses Jahres. Vor allem junge Männer zwischen 18 und 30 Jahren waren betroffen. Wegen des leicht erhöhten Risikos einer Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung nach einer Impfung mit dem Moderna-Impfstoff empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland mittlerweile, dass Menschen unter 30 Jahren nur mit dem Biontech-Mittel geimpft werden sollen. Für alle anderen Personen, die 30 Jahre und älter sind, sind beide mRNA-Impfstoffe gleichermaßen gut geeignet.
Im aktuellsten Sicherheitsbericht des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) von Ende Oktober wurden für Deutschland insgesamt rund 1200 Verdachtsfälle von Myokarditis oder Perikarditis nach einer Impfung aufgeführt. Die Melderate war demnach bei Jungen und männlichen Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren und Männern unter 30 am höchsten.