Krankheitsverläufe Die vier Phasen von Covid-19

Fieber zählt häufig zu den Anfangsbeschwerden von Covid-19, tritt aber nicht bei allen Patienten auf
Foto: Guido Mieth/ Getty ImagesDas Coronavirus ist wie ein Chamäleon, so beschreiben es Schweizer Mediziner in einem Fachartikel . Was sie meinen: Die Erkrankung kann zu irritierend unterschiedlichen Beschwerden führen oder sogar unbemerkt ablaufen. Als Beispiel erzählen sie den Fall eines 83-Jährigen, der nach einem Sturz in die Klinik eingeliefert wurde und eine Verletzung im Brustbereich befürchtete.
Auf einem CT-Bild zeigte sich jedoch nicht etwa eine angebrochene Rippe, sondern eine Lungenentzündung. Der Patient hatte kein Fieber, nicht einmal Husten. Trotzdem fiel ein Test auf Sars-CoV-2 positiv aus, er wurde sofort isoliert.
Der Fall zeigt, wie leicht Infektionen unerkannt bleiben können oder nur durch Zufall entdeckt werden. Auch gibt es keine Schablone mit Beschwerden, in die alle Patienten passen. Trotzdem entschlüsseln Forscher immer mehr Details von Infektion und Krankheit, die ihnen helfen, Betroffene zu erkennen und Gesunde zu schützen. Welche möglichen Krankheitsverläufe gibt es, vom ersten Kontakt mit dem Virus bis hin zu Genesung oder Tod? Der Überblick:
Phase eins: Die Infektion
Tröpfchen sind eine Art Taxi der Coronaviren. Verpackt in Speichel und Schleim, ausgeschleudert beim Husten, Niesen oder Sprechen, landen Tausende Erreger in der Luft, auf Gegenständen und - falls sie "Glück" haben - im Gesicht eines neuen Wirts. Über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen dringen sie in den neuen Körper ein.
Um sich dort zu verbreiten, benötigen die Coronaviren die Unterstützung der menschlichen Zellen. Ohne ihre Hilfe können sich die Erreger nicht vermehren. Sie müssen Zellen kapern und zu Virenfabriken umprogrammieren. Dabei helfen ihnen die Zacken auf ihrer Oberfläche, die zu bestimmten Rezeptoren auf den Zellen passen wie ein Schlüssel in ein Schloss.

Die Zacken im grünen Schleier, der die Viren auf dieser Illustration umgibt, dienen ihnen als Schlüssel für die Zellen des Menschen, den sie befallen
Foto: HANDOUT/ AFPEinmal angedockt, nimmt die menschliche Zelle das Virus in sich auf. Dabei macht sich der Erreger Mechanismen zunutze, die eigentlich dazu dienen, zum Beispiel Botenstoffe in die Zelle zu befördern. Hat das Virus auch diese Hürde überwunden, kann es damit beginnen, die Maschinerie der Zelle auf die Produktion neuer Viren auszurichten. Die Anleitung dafür trägt der Erreger in seinem Erbgut.
Hat eine Zelle Hunderte kleine Virenkopien produziert, geht sie häufig an Überlastung zugrunde. Die Coronaviren kommen frei und machen sich auf die Suche nach neuen Zellen, die sie kapern können. Allerdings nicht, ohne dass das Immunsystem auf sie aufmerksam wird. Die nächste Phase beginnt.
Phase zwei: Der Beginn der Erkrankung
Begeben sich viele Erreger auf die Suche nach neuen Wirtszellen, schlägt das Immunsystem Alarm. Anhand seiner Abwehrreaktionen bemerken die Infizierten häufig erst, dass etwas nicht stimmt. Die Körpertemperatur kann steigen, der Körper versucht, sich durch Husten der Viren zu entledigen.
Zwischen der Infektion mit Sars-Cov-2 und dem Ausbruch der Krankheit Covid-19 vergehen im Mittel fünf bis sechs Tage. Von mehr als 67.000 Menschen in Deutschland hat das Robert Koch-Institut inzwischen Begleiterscheinungen ausgewertet . Am häufigsten litten die Betroffenen
unter Husten (52 Prozent),
Fieber (42 Prozent) und
Schnupfen (22 Prozent).
Andersherum bedeutet das jedoch auch, dass knapp die Hälfte der in Deutschland erkannten Infizierten nicht hustete, noch weniger hatten Fieber. Zu den weiteren geschilderten Beschwerden zählten Durchfall, Luftnot, Übelkeit, Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen. Ärzte berichten außerdem von Patienten, die schon zu einem frühen Zeitpunkt der Erkrankung nichts mehr riechen und schmecken können.
Die ersten Anzeichen von Covid-19 zu erkennen, ist enorm wichtig. Aktuelle Daten sprechen laut Weltgesundheitsorganisation dafür, dass Menschen das Virus besonders häufig weitergeben, wenn sie gerade erst beginnen, sich krank zu fühlen. Ansteckend sind sie sogar schon ein bis zwei Tage vorher, wenn das Virus immer mehr Zellen umprogrammiert, die Folgen aber noch nicht spürbar sind.
Hinzu kommt, dass manche Menschen nur wenig oder gar nichts vom Kampf ihres Immunsystems gegen den Erreger mitbekommen. Noch diskutieren Experten darüber, wie groß ihr Anteil ist. Auf dem Kreuzfahrtschiff "Diamond Princess" etwa, auf dem sich rund 700 Menschen infizierten, galt zunächst fast die Hälfte als asymptomatisch. Viele von ihnen entwickelten allerdings später noch Beschwerden. Sicher ist zumindest, dass auch sie den Erreger weitergeben können.
Phase drei: Die Zeit der Entscheidung
Die Tage nach dem Beginn der Erkrankung sind die entscheidenden. Setzt sich das Immunsystem durch und dämmt die Verbreitung der Viren ein, bleibt es bei diesen ersten Beschwerden. Die Krankheit kann dann zwar auch unangenehm sein, nimmt aber einen milden Verlauf. Die meisten Betroffenen können sich zu Hause auskurieren.
Bislang gelten 80 Prozent der Fälle als mild oder moderat, die Daten hinter dieser Zahl stammen jedoch von einer der ersten Auswertungen aus China. In Deutschland mussten bislang rund 14 Prozent der nachweislich Infizierten im Krankenhaus behandelt werden.
Gefährlich wird es vor allem, wenn das Immunsystem den Erreger nicht aufhalten kann und das Virus bis tief in die Lunge gelangt, wo der Körper Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Blut und Atemluft austauscht. Beginnt das Immunsystem, den Erreger dort zu attackieren, kommt es zu einer Lungenentzündung. Auch sie verläuft zum Teil noch mild, bei manchen Patienten kann sich der Gesundheitszustand jedoch rapide verschlechtern.
Infolge der Abwehrreaktionen füllen sich die Lungenbläschen mit Flüssigkeit, der Gasaustausch stockt, es gelangt nicht mehr ausreichend Sauerstoff ins Blut, dafür staut sich Kohlendioxid. Das Atmen fällt schwer, das Herz arbeitet stärker, um gegen den Mangel anzukämpfen. Vor allem bei einem vorgeschädigten Herzen droht eine Überlastung. Auch die Atmung kann im weiteren Verlauf komplett versagen.
Das Robert Koch-Institut geht in einem Modell davon aus, dass zwischen den ersten Covid-19-Beschwerden und einer Aufnahme ins Krankenhaus - falls nötig - im Schnitt vier Tage verstreichen. Das deckt sich mit einer Auswertung der ersten 50 Patienten, die in der Uniklinik Aachen behandelt wurden. Das Zeitfenster zwischen Beginn der Krankheit und Ankunft in einer Klinik reichte bei ihnen jedoch von einem bis acht Tage.
Einzelne Berichte sprechen außerdem dafür, dass das Coronavirus bei manchen Patienten bis zum Herzen gelangt. In Norditalien etwa entwickelte eine 53-Jährige eine Herzmuskelentzündung, nachdem sie in der Vorwoche Fieber und Husten hatte. Auf Röntgenbildern fehlten Spuren einer Lungenentzündung, ein Test auf das Coronavirus aber fiel positiv aus. Allerdings verzichteten die Mediziner darauf, winzige Proben des Herzmuskels zu entnehmen und auf das Virus zu untersuchen. Die Frage, ob das Coronavirus tatsächlich das Herz infizieren kann, müssen Forscher also noch klären.
Unumstritten ist hingegen die Gefahr einer sogenannten Superinfektion. Ist das Lungengewebe bereits durch das Coronavirus entzündet, können sich viel leichter zusätzlich auch Bakterien ansiedeln. Von den ersten 50 Covid-19-Patienten in der Uniklinik Aachen hatten vier eine solche Superinfektion, drei von ihnen mussten künstlich beatmet werden. Aus diesem Grund werden Erkrankte zum Teil mit Antibiotika behandelt, obwohl diese nichts gegen das Coronavirus ausrichten können.
Im schlimmsten Fall endet Covid-19 mit dem Tod, im Mittel bereits 18 Tage nach den ersten Beschwerden. Noch ist unklar, wie viele der Betroffenen sterben, da die Zahl aller Infizierter unbekannt ist. In Deutschland gibt es jedoch bei knapp 100.000 nachgewiesenen Infektionen rund 1500 Todesfälle, in anderen Ländern ist die Quote deutlich höher.
Phase vier: Die Genesung
Bei leichten bis moderaten Verläufen dauert es laut Daten aus China in der Regel ein bis zwei Wochen, bis sich der Körper wieder erholt hat. Bei schweren Verläufen kann sich die Krankheit drei bis sechs Wochen hinziehen.
Hat das Immunsystem seine Arbeit abgeschlossen, hinterlässt es Antikörper als Zeugen der Infektion. Versucht Sars-CoV-2 erneut, in Zellen einzudringen, erkennen diese sofort die Gefahr. Nach allem, was bislang bekannt ist, schützen sie Betroffene so zumindest eine gewisse Zeit vor neuen Attacken des Coronavirus.