Robert Koch-Institut "Es ist noch völlig offen, wie es sich weiterentwickelt"

RKI-Chef Lothar Wieler
Foto: Bernd von Jutrczenka/ DPA149 Covid-19-Todesfälle hat das Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland offiziell registriert - im Vergleich zu anderen betroffenen Ländern ist die Sterberate im Verhältnis zu den Fallzahlen relativ gering. Ein Grund dafür sei, dass Deutschland derzeit noch am Anfang der Epidemie stehe, sagte RKI-Chef Lothar Wieler beim Pressebriefing des Instituts. "Es ist noch völlig offen, wie es sich weiterentwickelt, wir haben gerade erst damit begonnen, Corona zu bekämpfen." In Deutschland seien bislang auch noch nicht so viele alte Menschen erkrankt, die ja normalerweise Risikopatienten für einen schweren Verlauf von Covid-19 sind, so Wieler. "Fest steht: Die Todesfälle sind keine Untererfassung."
31.545 Covid-19-Fälle meldet das RKI am Mittwoch, 4118 mehr als am Vortag. Die Zahlen unterscheiden sich etwa von der Erhebung der häufig zitierten Johns-Hopkins-Universität, da die Fallzahlen des RKI leicht zeitverzögert über das elektronische Meldesystem der Gesundheitsämter eingehen. Aktuell liegt die Sterblichkeitsrate laut RKI in Deutschland bei rund 0,4 Prozent. Im Vergleich zu anderen stark betroffenen Ländern ist das sehr gering. Die weltweite Sterberate wird derzeit auf rund 4,7 Prozent geschätzt, in Italien sterben 9,5 Prozent der Patienten, in Iran 7,9 Prozent. Diese Zahlen beziehen sich auf die nachgewiesenen Corona-Fälle. In Deutschland werden, im Gegensatz zu den anderen Ländern, noch vergleichsweise viele leicht Erkrankte erfasst. Auch deshalb ist die Todesrate hier gering.
Deutschland habe von Anfang an vergleichsweise breit auf Sars-CoV-2 getestet, sagte Wieler. "Dadurch haben wir sehr früh auch viele milde Fälle entdeckt." Die noch geringe Sterberate in Deutschland sei nicht unbedingt ein Hinweis darauf, dass die Pandemie hierzulande nicht so stark verlaufe: "Wie erwartet nehmen die Fallzahlen zu", sagte er. "Wir müssen jetzt weiter diszipliniert sein." Ob die verhängten Maßnahmen etwas bringen und wie lange diese noch bestehen blieben, könne man derzeit noch nicht sagen. "Wir bewerten die Lage täglich neu und passen sie den epidemiologischen Begebenheiten an."
Daher hat das RKI auch seine Empfehlungen für Ärzte angepasst, wann sie auf Covid-19 testen sollen: Wieler zufolge müssen die Patienten, die Symptome haben, nicht länger in einem Risikogebiet gewesen sein, um einen Test zu erhalten. "Es ist eine Pandemie, der Erreger breitet sich immer weiter aus", sagte Wieler. "Es macht keinen Sinn mehr, nach einzelnen Gebieten zu unterscheiden." Wichtig sei, die Ressourcen für Tests gezielter einsetzen zu können: "Wir haben nicht genug Tests, um sie einfach sinnlos einsetzen zu können."
Wieler sagte auch etwas zu jungen Erkrankten, die der Studienlage zufolge kein besonders hohes Risiko haben, einen schweren Verlauf von Covid-19 zu erleiden. "Ich betone aber immer wieder, dass auch junge und gesunde Menschen schwer erkranken oder sogar sterben können", sagte Wieler. "Es passiert seltener, aber das wissen wir aus unseren Nachbarländern." Je weiter die Epidemie fortschreite, desto mehr solcher Fälle werde man sehen.
Die Bekämpfungsstrategie des RKI beruhe weiterhin auf den drei Säulen:
Eindämmung (Isolation von Erkrankten, Nachverfolgung von Kontakten)
Schutz der vulnerablen Gruppe (Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen)
Kapazitäten im Gesundheitssystem erhöhen (Intensivbetten, Testkapazitäten)
Die Epidemie werde sicherlich noch einige Wochen in unserem Land sein. Auf die Frage, ob man mit Blick auf China, wo es seit Tagen keine Neuinfektionen gebe, Hoffnungen haben könne, dass auch Deutschland das Virus in wenigen Wochen eingedämmt haben könnte, antwortete Wieler: "Ich bin optimistisch, dass unsere Maßnahmen helfen. Ich muss aber betonen, dass in China ein massiver Lockdown stattgefunden hat mit großen sozialen Verwerfungen - daher kann man die Situation in Deutschland nicht mit der in China vergleichen." Es gebe kein Patentrezept.