Genanalysen Coronavirus hat sich wohl schon Ende 2019 weltweit verbreitet

Dezember in Pariser U-Bahn: Wahrscheinlich hatte das neuartige Coronavirus Frankreich da schon erreicht
Foto: Martin Bureau/ AFPDas neuartige Coronavirus ist womöglich nicht erst seit Anfang 2020 weltweit im Umlauf. Wissenschaftler der Universität von London veröffentlichten am Mittwoch eine Studie, wonach das Virus Ende 2019 von einem Tier auf den Menschen übersprang und sich ab dann in rasantem Tempo rund um die Erde ausbreitete.
Für die Analysen hatten die Wissenschaftler das Genom von mehr als 7500 Sars-CoV-2-Viren analysiert. Die Proben stammen von Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren, berichtet das internationale Forscherteam im Fachblatt "Infection, Genetics and Evolution" . Kleine Veränderungen im Erbgut der Viren verraten, wie sich der Erreger weltweit ausgebreitet hat.
Um sich zu vermehren, muss sich das Genom des Virus ständig kopieren. Dabei passieren zufällige Fehler, sogenannte Mutationen. Sie haben meist keinen Effekt auf das Virus, doch über sie lassen sich die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den einzelnen Viren bestimmen.
Die Forscher fanden fast 200 solcher Mutationen. Während sich einige Genabschnitte offenbar nicht verändern, häufen sich die Mutationen in anderen Abschnitten des Virus. In den besonders vom Coronavirus betroffenen Ländern fanden sich nahezu alle der global vorkommenden Mutationen. Die Forscher schließen daraus, dass sich das Virus schon am Anfang der Epidemie weltweit rasant ausgebreitet hat.
"Alle Viren mutieren", sagte einer der Studienautoren, Francois Balloux vom University College London (UCL). "Mutationen an sich sind keine schlimme Sache. Es gibt keinen Hinweis, dass Sars-CoV-2 schneller oder langsamer mutiert, als man erwarten würde." Ob die kleinen Veränderungen das Virus gefährlicher machen, können Forscher noch nicht sagen.
Nach ersten Studienergebnissen chinesischer Forscher hatte es zwar Spekulationen gegeben, es könnte bereits zwei Stränge des Coronavirus geben, von denen einer aggressiver sein könnte. Doch weitere Untersuchungen sprechen gegen diese These. Demnach kursiert weltweit nur ein Typ des neuartigen Coronavirus.
Der gemeinsame Vorfahre aller untersuchten Sars-CoV-2-Viren kursierte Ende vergangenen Jahres. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Erreger erst dann den Sprung auf den Menschen schaffte und sich nicht schon längere Zeit verbreitete, ehe die ersten Covid-19-Fälle bekannt wurden. Wo genau die Pandemie ihren Anfang nahm, lässt sich anhand des Genoms jedoch nicht ausmachen.
Die ersten Fälle einer bis dahin unbekannten Lungenkrankheit traten in der chinesischen Metropole Wuhan auf und schienen auf einen Markt zurückzugehen. Zunächst versuchten chinesische Behörden, den Ausbruch zu vertuschen. Erst am 31. Dezember unterrichtete China die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die neue Lungenkrankheit.
Die ersten Infektionen in Europa wurden im Januar dokumentiert. Doch offenbar hat es in Frankreich schon gut einen Monat früher Fälle gegeben. Die Probe eines Lungenpatienten vom Dezember war bei einer erneuten Untersuchung positiv auf das Coronavirus getestet worden. Wo sich der Mann angesteckt haben könnte, ist unklar. Auch seine Kinder erkrankten. Die WHO hält es für möglich, dass es weitere frühe Fälle gibt, die bisher unentdeckt blieben.
Forscher versuchen zu verstehen, wie sich das neuartige Coronavirus verändert und welchen Einfluss die Mutationen haben. Das könnte auch darüber entscheiden, wie lange eine mögliche Impfung oder Medikamente wirksam sein werden. "Wenn wir unsere Arbeit auf die Abschnitte des Virus konzentrieren, die kaum mutieren", sagte Balloux, "haben wir eine bessere Chance, Medikamente zu entwickeln, die langfristig wirken."