Biontech EU-Arzneibehörde startet Begutachtung von Coronavirus-Impfstoff

Wann wird der erste Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus zugelassen? Der Kandidat des Mainzer Unternehmens Biontech ist in der EU jetzt auf der Zielgeraden.
Biontech-Hauptsitz in Mainz

Biontech-Hauptsitz in Mainz

Foto: YANN SCHREIBER / AFP

Der vom Mainzer Unternehmen Biontech entwickelte Corona-Impfstoffkandidat geht in den Zulassungsprozess. Die europäische Arzneimittelbehörde Ema bestätigte am Dienstag in Amsterdam, dass der Wirkstoff BNT162b2 in dem sogenannten Rolling-Review-Verfahren geprüft werde, das jetzt eingeleitet wurde. Bei diesem Verfahren werden Daten aus der klinischen Prüfung fortlaufend eingereicht und bewertet. Die Entscheidung der Ema, das Verfahren zu beginnen, basiert nach Angaben der Behörde auf den ermutigenden vorläufigen Daten der präklinischen sowie frühen klinischen Studien bei Erwachsenen.

Biontech ist damit das erste deutsche Unternehmen und mit AstraZeneca das zweite insgesamt, das bei der Ema für diesen Prozess zugelassen wurde. "Das Rolling-Review-Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis genügend Grundlagen vorhanden sind, um einen formellen Zulassungsantrag zu unterstützen", teilte die Ema mit.

Im April hatte Biontech als erstes deutsches Unternehmen vom zuständigen Paul-Ehrlich-Institut die Genehmigung für eine klinische Studie der Phase I/II bekommen. In dieser Phase werden Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffkandidaten geprüft. Vorläufige Daten zeigten, dass der Wirkstoff gut verträglich war und leichte bis moderate Nebenwirkungen aufwies, berichten Biontech und das Pharmaunternehmen Pfizer, das die Impfstoffentwicklung unterstützt. Die Probanden hätten Antikörper gebildet und andere erwünschte Immunreaktionen gezeigt. Der zuständige Ausschuss der Ema habe nun begonnen, diese Daten zu prüfen.

Derzeit wird der Impfstoff in einer klinischen Studie der Phase II/III geprüft. In dieser Phase wird die Wirksamkeit weiter geprüft und die passende Dosierung ermittelt. Bis dato seien 37.000 Teilnehmer in die Studie eingeschlossen, 28.000 hätten bereits die zweite Impfstoffdosis erhalten, heißt es in der Mitteilung. Mehr als 120 Studienzentren weltweit seien beteiligt, unter anderem in den USA, Brasilien, Südafrika und Argentinien.

Beschleunigtes Verfahren

Das Rolling-Review-Verfahren soll die Zulassung eines Impfstoffes beschleunigen. Sind ausreichend Daten eingereicht und vom zuständigen Ema-Ausschuss bewertet, kann Biontech die Marktzulassung beantragen. Normalerweise reichen Unternehmen alle Daten gesammelt erst mit dem Zulassungsantrag ein.

Es könne auch bei EU-Zulassungen vorkommen, dass schon eine Zwischenauswertung gute Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit eines Impfstoffs liefere und darauf basierend eine sogenannte Conditional Marketing Authorisation - eine Zulassung mit Auflagen - erfolgen könne, "bevor die normalerweise ein oder zwei Jahre dauernde klinische Prüfung der Phase III komplett abgeschlossen ist", erklärte Klaus Cichutek, Präsident des für Impfstoffe und Biomedizin zuständigen deutschen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI).

Der Impfstoffkandidat werde den strengen Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsstandards der Ema unterliegen, betonen Biontech und Pfizer in ihrer Mitteilung. "Während wir daran arbeiten, einen potenziellen Impfstoff in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit zu entwickeln, um dieser Pandemie ein Ende zu bereiten, ist es unsere Pflicht sicherzustellen, dass wir dies mit den höchsten ethischen Standards sowie unter Einhaltung fundierter wissenschaftlicher Prinzipien tun", sagte Biontech-Chef und Mitgründer Ugur Sahin.

Mitte September hatte Biontech mitgeteilt, es plane, die Zulassung in der EU und den USA gleichzeitig zu beantragen - voraussichtlich im Oktober oder November. Kürzlich hat das Unternehmen ein Werk von Novartis in Marburg gekauft, um dort Impfstoffe zu produzieren. Im Netzwerk der Produktionsstätten von Pfizer und Biontech könne man im nächsten Jahr 1,3 Milliarden Impfstoffdosen - wahrscheinlich sogar mehr - herstellen, hieß es bei der Pressekonferenz Mitte September.

Der von Biontech entwickelte Wirkstoff ist ein sogenannter RNA-Impfstoff. Er enthält genetische Informationen des Erregers. Im Körper wird daraus ein Virusprotein hergestellt, mit dessen Hilfe der Erreger in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen. Sind Antikörper vorhanden, fangen sie die Viren ab, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren. Zusätzlich soll der Wirkstoff andere Abwehrwaffen des Immunsystems aktivieren.

wbr/dpa
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