Covid-19 Was kann der Antigen-Schnelltest von Roche?

Ein Corona-Ergebnis in 15 Minuten - damit wirbt das Schweizer Pharmaunternehmen Roche für seinen neuen Schnelltest. Klingt nach einem wichtigen Schritt in der Pandemiebekämpfung. Oder?
Corona-Schnelltest

Corona-Schnelltest

Foto: Sanjeev Gupta / EPA-EFE / Shutterstock

Noch in diesem Monat will das Schweizer Pharmaunternehmen Roche einen Schnelltest auf den Markt bringen, der in nur 15 Minuten erkennen kann, ob jemand mit Sars-CoV-2 infiziert ist. Anfang Oktober soll er dann auch in Deutschland erhältlich sein. Ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest soll ein Teststreifen direkt ein positives oder negatives Ergebnis anzeigen. Rund 40 Millionen Tests will die Firma pro Monat produzieren.

Die Ankündigung klingt wie die nächste große Hoffnung: Man könnte den Test in Notaufnahmen durchführen oder vor dem Besuch in Altenheimen. In einem nächsten Schritt vielleicht sogar vor Konzerten oder Fußballspielen, denn wenn nur negativ Getestete zusammenkommen, müssten Großveranstaltungen doch wieder möglich sein - oder?

Der neue Test funktioniert anders als die bisher bekannten Testverfahren, das stimmt. Doch wird er weder frei in Apotheken verfügbar sein, noch scheinen die Ergebnisse aussagekräftig genug zu sein, um ihn flächendeckend einzusetzen. Der Überblick.

Wie funktioniert der Roche-Schnelltest?

Der neue Test von Roche ist ein Antigentest. Laut Herstellerangaben kann er, ähnlich wie der PCR-Test, Abstriche aus dem Nasen-Rachen-Bereich auswerten. Während die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) jedoch die RNA des Virus vermehrt und so das Erbgut - falls es vorhanden ist - nachweist, sucht der Antigentest nach den für das Virus typischen Proteinen.

Dazu wird per Abstrichtupfer eine Probe aus dem Nasenrachenraum entnommen und auf einen Teststreifen mit Antikörpern gegen Sars-CoV-2 gegeben. "Falls Antigene in ausreichender Konzentration vorhanden sind, binden sie an die Antikörper", schreibt Roche in einer Mitteilung . Nach etwa 15 Minuten werde dann ein positives oder negatives Ergebnis angezeigt.

Da es sehr schwierig ist, selbst mit dem Teststäbchen tief genug in den Rachen vorzudringen, kann die Probe nur von medizinisch geschultem Personal entnommen werden. Der Schnelltest eignet sich also nicht für den Hausgebrauch.

Wie zuverlässig ist der neue Schnelltest?

Schon der Hinweis "falls Antigene in ausreichender Konzentration vorhanden sind" lässt ahnen, dass der Test fehleranfällig ist. Denn offenbar benötigt dieser genügend Antigene in einer Probe, um sie auch als positiv zu erkennen. Nun ist jedoch bekannt, dass gerade Patienten mit milden Verläufen häufig eine geringere Viruslast haben - und damit auch eine geringere Konzentration von Antigenen. Ob der Test also auch asymptomatische Patienten oder solche mit nur milden Symptomen erkennt, ist fraglich. Weiterhin ist die Qualität der Probenentnahme für die Genauigkeit des Testergebnisses maßgeblich.

Der Hersteller selbst gibt die Sensitivität, also die Wahrscheinlichkeit, mit der der Test Erkrankte tatsächlich als krank erkennt, mit 96,52 Prozent an. Der Roche-Test liefert also bei etwa 4 von 100 Patienten ein falsch negatives Ergebnis. Zum Vergleich: Die Sensitivität der in Deutschland verwendeten PCR-Tests liegt zwischen 95 und 100 Prozent. Der Konzern selbst rät aufgrund der allgemein niedrigen Sensitivität von Antigentests dazu, bei der Interpretation von negativen Testergebnissen weitere Faktoren miteinzubeziehen, etwa die Symptomatik des Patienten oder einen Kontakt mit einem an Covid-19 Erkrankten. Auch ein zusätzlicher Validierungstest sei möglich.

Die Spezifität, also die Wahrscheinlichkeit, mit der tatsächlich Gesunde auch als solche erkannt werden, liegt laut Roche bei 99,68 Prozent.

Wofür sind Antigentests geeignet?

Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben große Hoffnungen in die Entwicklung eines zuverlässigen Antigentests. Denn er könnte, ebenso wie die PCR, eine aktive Infektion nachweisen und somit dabei helfen, Infektionsketten zu unterbrechen. Die Antigentests liefern dabei erhebliche Vorteile gegenüber der PCR: Zum einen können sie an den sogenannten points of care, also vor Ort, eingesetzt und ausgewertet werden. Die Proben müssen nicht erst ins Labor geschickt und dort aufwendig ausgewertet werden. Damit könnte man prinzipiell Personal, Zeit und Kosten sparen. Zum anderen ist das benötigte Testmaterial günstiger. Wie viel günstiger, das will der Konzern nicht preisgeben: "Details zu den Preisen geben wir nicht bekannt, allerdings gestalten wir die Preise so, dass die Kosten keine Barriere für den Zugang zu unseren Tests darstellen", teilt Roche auf Anfrage des SPIEGEL mit.

Roche selbst hält seinen Test für einen bedeutenden Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie. Man könne ihn bei symptomatischen und asymptomatischen Menschen einsetzen, dort, wo schnelle Entscheidungen nötig seien, heißt es in der Mitteilung der Firma. "Er dient als wertvoller erster Screening-Test für Menschen, die mit Infizierten Kontakt hatten oder sich an Orten mit erhöhtem Risiko aufgehalten haben."

Denkbar wäre der Einsatz also etwa in den Rückkehrer-Testzentren an Flughäfen oder an Bahnhöfen. Reiserückkehrer wüssten innerhalb von 15 Minuten, ob sie in Quarantäne müssen oder beruhigt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren können. Auch könnte man das Personal oder Besucher in Altenheimen regelmäßig vor Betreten der Einrichtung testen, um sicherzugehen, dass sie das Virus nicht einschleppen und somit die Risikogruppen gefährden. Ebenso wäre der Einsatz in Notaufnahmen von Krankenhäusern denkbar, wo oft schnell entschieden werden muss, wie man mit Patienten umgeht.

Werden sie also bald die aufwendigen PCR-Tests ablösen?

Beim Einsatz von Antigentests ist aufgrund der geminderten Zuverlässigkeit Vorsicht geboten. Denn jeder falsch negative Befund könnte dazu führen, dass der oder die Getestete sich in falscher Sicherheit wiegt, und potenziell einen neuen Ausbruch bedingen. Gerade in Einrichtungen mit Risikogruppen, wie etwa in Altenheimen, wäre das fatal.

Wie Roche selbst schreibt, sollten die Negativ-Ergebnisse der Antigentests genau interpretiert und gegebenenfalls noch einmal mit einem weiteren Test überprüft werden. Das würde wiederum dazu führen, dass die PCR wieder nötig wird.

Dennoch sind die Antigentests nicht überflüssig. Sie könnten etwa bei der Testung von Gruppen, wie etwa Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer Fleischfabrik, zumindest eine grobe Orientierung geben, ob sich der Großteil infiziert hat oder nicht. Denn wenn man eine größere Menge an Menschen testet, ist zumindest der Statistik zufolge die Wahrscheinlichkeit höher, dass viele Infizierte auch gefunden werden. Damit könnte man auf neue Ausbruchsgeschehen etwas schneller reagieren, als es derzeit mit dem PCR-Verfahren, bei dem man oft vier Tage auf das Ergebnis wartet, möglich ist.

Um tatsächlich wieder Großveranstaltungen zuzulassen oder bedenkenlos die Großeltern zu besuchen, eignen sich Antigentests allerdings nicht.

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