Neue Coronavirus-Variante Was über Deltakron bekannt ist

Illustration des Coronavirus
Foto: Andriy Onufriyenko / Getty ImagesAnfang Januar war es noch ein Laborfehler, nun gibt es tatsächlich Fälle, bei denen eine Rekombination aus der Delta- und der Omikron-Variante des Coronavirus nachgewiesen wurde. Das Robert Koch-Institut (RKI) bestätigte auf Anfrage des SPIEGEL, dass es bisher in Deutschland eine bestätigte Infektion mit der »Deltakron«-Rekombinante gegeben habe. Zuvor wurden in Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und Dänemark solche Fälle gemeldet.
Im Januar war die Mischvariante aus Delta und Omikron vermeintlich auf Zypern aufgetreten. Doch im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich um einen Fehlalarm handelte: Offenbar waren Laborproben verunreinigt worden. Diesmal scheint es sich jedoch wirklich um eine Rekombinations-Variante zu handeln. Antworten auf die wichtigsten Fragen dazu im Überblick:
Was ist Deltakron?
Deltakron ist eine sogenannte Rekombinations-Variante oder auch Hybridvariante aus den Coronavarianten Delta und Omikron. Derzeit herrscht weltweit die Omikron-Variante vor, die infektiöser ist als vorherige Varianten, dafür bei geimpften Menschen aber etwas milder verläuft. Zuvor war die Delta-Variante in Europa dominant. Sie gilt als aggressiver und sorgt für schwerere Verläufe, vor allem bei Risikopersonen.
Die Genom-Datenbank »Gisaid« gab vergangene Woche nun bekannt , dass das Institut Pasteur in Frankreich erstmals eindeutige Hinweise auf der Plattform geteilt hat, die eine Rekombination aus Delta und Omikron belegen. Die Analyse liefere eine eindeutige Bestätigung der Struktur eines rekombinanten Virus, das von den Delta-AY.4- und Omikron-BA.1-Linien stamme, heißt es in einer Mitteilung auf der Gisaid-Website.
Das rekombinierte Virus sei seit Anfang Januar in mehreren französischen Regionen im Umlauf. Genome mit einem ähnlichen Profil seien auch in Dänemark und den Niederlanden gemeldet worden. Es seien weitere Studien notwendig, um den Ursprung der Rekombinations-Variante aufzuklären und herauszufinden, ob es sich jeweils um die gleiche Rekombination handle.
Ein französisches Forscherteam, das bereits ein Preprint zu Deltakron (in der Untersuchung wird die Variante »Deltamikron« genannt) veröffentlicht hat, geht davon aus, dass die Hybridvariante charakteristische Mutationen beider Linien enthält. Sie bestehe aus einem nahezu vollständigen Spike-Gen von Omikron innerhalb einer Delta-Linie, schreiben die Autoren der noch nicht von Fachexperten geprüften Arbeit. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Proben von drei französischen Patienten mittels Genomsequenzanalyse untersucht. Möglicherweise könnte die Rekombinante sich etwas besser an die Wirtszelle binden, heißt es in der Studie.
Wie entsteht eine Rekombinations-Variante?
Rekombinations-Varianten sind bei Coronaviren üblich. Es passiert zwar relativ selten, aber manche Menschen stecken sich zeitgleich mit zwei Coronavirus-Varianten an. Gerade im Zeitraum zwischen Dezember und Januar, als die Omikron-Variante in Europa gerade die Delta-Variante ablöste, war die Wahrscheinlichkeit groß, mit beiden Varianten in Kontakt zu kommen. Es ist dabei möglich, dass zwei Virentypen zeitgleich in dieselbe Zelle eindringen. Wenn sich das Virus dann anfängt zu vermehren, kann sich das genetische Material dabei vermischen und eine Rekombination aus beiden Varianten hervorbringen.
In den meisten Fällen besteht eine solche Hybridvariante jedoch nicht weiter, da sie im Vergleich zu den beiden Ursprungsvarianten keinen evolutionären Vorteil hat. Doch in manchen Fällen könnte die neu entstandene Variante sich durchsetzen oder neben den ursprünglichen Varianten existieren.
Wie gefährlich ist Deltakron?
Die größte Sorge ist sicherlich, dass Deltakron so ansteckend ist wie Omikron und so krank machend wie Delta.
Bislang gibt es nur sehr wenige bekannte Fälle von Deltakron, gleichzeitig ist die Rekombinante bereits seit Anfang Januar im Umlauf. Das spricht zunächst nicht dafür, dass sie sich noch schneller verbreitet als Omikron und sich demnächst durchsetzen könnte. Dennoch ist es zu früh, um klare Aussagen über die Gefährlichkeit von Deltakron zu treffen.
»Die Befürchtungen gibt es schon länger«, sagte Etienne Simon-Lorière vom französischen Institut Pasteur der »New York Times« . Bisher sei die Rekombinante noch extrem selten und zeige keine Anzeichen von exponentiellem Wachstum. Auch das Genom von Deltakron deute nicht darauf hin, dass man in eine neue Phase der Pandemie eintrete: Das Spike-Protein, mit dem das Coronavirus an die menschlichen Zellen andockt, komme hauptsächlich von Omikron; der Rest des Genoms von Delta.
Simon-Lorière zufolge müssten ein bereits gegen Omikron aufgebauter Immunschutz – etwa durch Impfung oder Infektion – also auch gegen Deltakron wirken. »Die Oberfläche des Virus ist sehr ähnlich zur Oberfläche von Omikron, der Körper wird es also genauso erkennen, wie er die Omikron-Variante erkennt«, sagte Simon-Lorière.
Allerdings ist die Omikron-Variante eine Immunfluchtvariante, die den Immunschutz teilweise umgehen kann. Das bedeutet, dass eine durchgemachte Infektion oder eine Impfung nicht ganz so gut vor einer Infektion mit Omikron schützt. Eine dreifache Impfung schützt jedoch sehr gut vor schweren Verläufen und Krankenhausaufenthalten. Die Impfstoffe wurden gegen den sogenannten Wildtyp des Coronavirus entwickelt, doch auch gegen die Delta-Variante wirken sie sehr gut. Sollte die neue Rekombinante nun Bestandteile von Delta enthalten, könnten die Impfstoffe gegebenenfalls sogar wieder etwas besser schützen als bei Omikron.
Was bedeutet das für den weiteren Verlauf der Pandemie?
In Großbritannien wurde Deltakron offenbar bereits mehr als 30-mal entdeckt, wie der »Guardian« berichtet . Auch in den USA seien der Nachrichtenagentur Reuters zufolge mindestens 17 Fälle aufgetreten. Ob es sich jeweils um die genau gleichen Rekombinanten handelt, ist unklar. Auch, was es für den weiteren Pandemieverlauf bedeutet. Falls die Hybridvariante ansteckender sein sollte als die Omikron-Variante, könnte sie sich im weiteren Verlauf der Pandemie durchsetzen – insbesondere, wenn weitere Maßnahmen gelockert werden und die Inzidenzen weiter steigen. Sollte Deltakron dabei für schwerere Verläufe sorgen als Omikron, würden wieder mehr Menschen ins Krankenhaus oder auf die Intensivstation kommen, als das aktuell der Fall ist. Auch die Zahl der Todesfälle würde wieder steigen.
Ein solches Szenario haben Forscher wie etwa Christian Drosten bereits als Möglichkeit erwähnt. Die WHO-Epidemiologin Maria van Kerkhove twitterte vergangene Woche, dass Rekombinations-Varianten zu erwarten seien, wenn zwei Coronavarianten wie Delta und Omikron so stark zirkulieren. Die Weltgesundheitsorganisation überwache und diskutiere das.
Pls also see here where we talk about the possibility of recombinants of #SARSCoV2. This is to be expected, especially w intense circulation of #omicron & delta. @WHO TagVE is tracking & discussing.
— Maria Van Kerkhove (@mvankerkhove) March 8, 2022
🙏@GISAID, 🌍🌎🌏 collaborations & science
ICYMI: https://t.co/jqduC6s3p5 https://t.co/oQ6AAGjegy
Dennoch zeigen sich Expertinnen und Experten nicht übermäßig besorgt. Denn Deltakron ist nicht die erste Rekombinations-Variante von Sars-CoV-2. »Dies geschieht immer dann, wenn wir uns in der Übergangsphase von einer dominanten Variante zu einer anderen befinden«, sagte Jeffrey Barrett, der frühere Leiter der Covid-19-Genominitiative des Wellcome Trust Sanger Instituts in Großbritannien, dem »Guardian« . »Es ist nicht viel mehr als eine wissenschaftliche Kuriosität.« Bisher sehe man nur sehr wenige Deltakron-Fälle weltweit, es sehe nicht danach aus, als müsse man sich Sorgen machen.
»Wir müssen das Verhalten dieser Rekombinante im Auge behalten«, sagte Lawrence Young, Virologe an der University of Warwick, ebenfalls dem »Guardian«. Man müsse die Infektiosität und die Fähigkeit, den Impfschutz zu umgehen, beobachten. Deltakron zeige, »wie wichtig es ist, Genproben zu sequenzieren und zu beobachten. Wenn das Virus immer weiter zirkuliert, vor allem in einer unzureichend geimpften Bevölkerung, werden wir immer häufiger Virusvarianten sehen.«