Diagnose, Impfung, Medikamente Der Kampf gegen das rätselhafte Virus beginnt im Labor

Labor in Omsk
Foto:Yevgeny Sofiychuk/ ITAR-TASS/ imago images
Vier Mitarbeiter einer bayerischen Firma haben sich in Deutschland bereits mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Es kann Atemwegsprobleme, aber auch eine gefährliche Lungenentzündung auslösen. Vermutlich wird diese Zahl in den kommenden Wochen noch steigen. (Verfolgen Sie die Entwicklungen im Newsblog.)
Dennoch mahnen die Gesundheitsbehörden zur Ruhe: Man nehme die Lage sehr ernst, aber man sei vorbereitet, sagte etwa am Dienstag die bayerische Staatsministerin Melanie Huml. Derzeit würden die Kontaktpersonen der Infizierten kontrolliert, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu vermeiden. Die Patienten befinden sich in einem Münchner Klinikum in Isolation.
In China ist die Situation weitaus schlimmer: Mehr als 5950 Infizierte, 132 Tote. Dabei handelt es sich hauptsächlich um ältere Patienten oder Menschen mit Vorerkrankungen. Die Volksrepublik riegelte ganze Städte ab. Insgesamt sind rund 45 Millionen Menschen in der Provinz Hubei von der Außenwelt abgeschottet.
Die Fälle in Deutschland scheinen nach bisherigen Angaben harmloser zu verlaufen. Der erste Patient sei bereits am Montag wieder weitgehend symptomfrei gewesen.
Wissenschaftler arbeiten derzeit weltweit daran, das Virus mit der vorläufigen Bezeichnung 2019-nCov zu verstehen. Einen Schnelltest gibt es bereits. Australische Wissenschaftler haben nun bekannt gegeben, selbst das Erbgut des Coronavirus von einem Patienten entnommen und im Labor vermehrt zu haben.
Aber wie lange wird es noch dauern, bis ein Impfstoff entwickelt sein könnte? Und wie kann man Viruserkrankungen überhaupt behandeln? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Welche Medikamente könnten bei einer Corona-Erkrankung helfen?
Grundsätzlich ist es oft schwierig, von Viren verursachte Krankheiten zu behandeln. Während gegen die meisten von Bakterien ausgelösten Infektionen Antibiotika helfen, sind diese Mittel bei Viren wirkungslos.
Coronaviren bestehen aus Erbgut, in Form sogenannter RNA, und einer Eiweißhülle. Die Erreger müssen Körperzellen kapern - im Fall von Coronaviren sind es die Zellen der Atemwege - und deren Maschinerie nutzen, um sich zu vermehren. Allein können sie dies nicht.
Für die Vermehrung produzieren die Viren in der Zelle bestimmte Eiweiße, sogenannte Enzyme. Medikamente, die gegen die Erreger wirken könnten, sollten entweder die Teile der Viren angreifen, die ihnen ermöglichen, in Zellen einzudringen oder jene, die für die Vermehrung notwendig sind.
Es gibt bereits einige Wirkstoffe, die zumindest in Labortests gegen Coronaviren - im Wesentlichen Sars und Mers - geprüft worden sind .
Einer davon ist Remdesivir, auch bekannt als GS-5734. Der Wirkstoff wurde in verschiedenen Zelllinien getestet, er konnte dort die Vermehrung von Sars und Mers unterdrücken. Zusätzlich wurde das Mittel bereits an Menschen getestet, allerdings nicht bei Patienten mit einer Coronavirus-Infektion, sondern bei Ebola-Kranken. Remdesivir half in der Studie weniger als zwei der anderen getesteten Wirkstoffe .
Doch aktuell hat das Mittel nun den Vorteil, dass es bereits bei Menschen eingesetzt wurde und nicht bloß an Zelllinien oder Tieren getestet wurde. Vergangene Woche sagte das Pharmaunternehmen Gilead Sciences Inc, es prüfe, ob es Remdesivir beim Ausbruch in China einsetzen könne. "Gilead bespricht dies aktiv mit Forschern und Ärzten in den USA und China", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters das Unternehmen.
Eine weitere mögliche Therapie sind zwei HIV-Medikamente: Ritonavir und Lopinavir. Die Wirkstoffkombination wurde bereits an einigen Sars-Patienten getestet . Eine weitere Studie, in der die beiden Wirkstoffe zusammen mit einem dritten, Interferon beta-1b, bei Mers-Patienten eingesetzt werden, läuft in Saudi-Arabien .
Die Wirkstoffe haben den Vorteil, dass sie schon länger eingesetzt werden, man kennt also auch ihre möglichen Nebenwirkungen.
Eine weitere mögliche Therapiemethode sind sogenannte monoklonale Antikörper. Grundsätzlich sind Antikörper Teil des menschlichen Immunsystems. Sie erkennen fremde Strukturen, zum Beispiel den Teil einer Virushülle. Anschließend machen sie entweder andere Teile des Immunsystems auf den Eindringling aufmerksam, sodass dieser vernichtet wird oder sie blockieren diesen direkt.
Monoklonale Antikörper werden im Labor gezüchtet und richten sich ganz spezifisch gegen ein Element eines Virus oder andere bestimmte Strukturen, wodurch sie unter anderem auch in der Krebstherapie zum Einsatz kommen.
Wie kann man das Virus nachweisen?
Bereits kurz nachdem der Ausbruch der Krankheit bekannt wurde, hatten chinesische Wissenschaftler Erbgut des neuartigen Coronavirus entschlüsselt und die Gensequenz veröffentlicht. Forscher der Berliner Charité um den Virologen Christian Drosten haben daraufhin einen Schnelltest entwickelt, der bereits weltweit zur Verfügung steht.
Dabei werden respiratorische Sekrete getestet: also das, was die Infizierten hochhusten oder ein Rachenabstrich. Die Probe wird gekühlt an ein Labor geschickt. Mittlerweile können deutschlandweit Unikliniken den Test auswerten, Verdachtsfälle können somit in der Regel innerhalb eines Tages bestätigt werden. Der Test selbst dauert im Labor rund 1,5 Stunden.
Als Verdachtsfall gilt in Deutschland:
Wer irgendeine Form von akuten Atemwegsbeschwerden entwickelt und innerhalb der vergangenen 14 Tage mit einem bestätigten Coronapatienten Kontakt hatte oder
wer klinische oder radiologische Hinweise auf eine akute Infektion der unteren Atemwege, also zum Beispiel eine Lungenentzündung, und sich bis maximal 14 Tage vor Beginn der Erkrankung in einem Risikogebiet aufgehalten hat. Als Risikogebiet gilt aktuell nur die chinesische Provinz Hubei.
Der Patient sollte in einem Zimmer isoliert werden, bis der Verdacht abgeklärt ist. Wer mit ihm in Kontakt tritt, muss einen Schutzkittel, Handschuhe, eine Schutzbrille sowie eine geeignete Atemmaske tragen. Parallel wird das Gesundheitsamt informiert und eine Probe an ein geeignetes Labor geschickt.
Gezielte Medikamente gegen den Erreger selbst gibt es bislang noch nicht. Bestätigt sich der Verdacht, versuchen Ärzte deshalb vor allem, die Beschwerden des Erkrankten zu lindern. Für die gesamte Erkrankungszeit bleibt der Patient in einem Isolierzimmer mit einem Vorzimmer, im besten Fall einer Schleuse.
Das Verfahren basiert auf einer sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Dabei wird Erbgut des Virus vervielfältigt, um den Erreger nachweisen zu können. PCR-Tests gehören zu den Standardverfahren in Labors (Lesen Sie hier, wie genau der Schnelltest funktioniert).
Ein Vorteil des Verfahrens ist, dass bereits geringste Virus-Mengen zu einem zuverlässigen Testergebnis führen können. Ein negatives Testergebnis schließt die Möglichkeit einer Infektion dennoch nicht aus. Eine schlechte Probenqualität, unsachgemäßer Transport oder ein ungünstiger Zeitpunkt der Probenentnahme können laut Robert Koch-Institut falsch-negative Ergebnisse hervorrufen. Daher werden momentan auch nicht alle Kontaktpersonen aus dem engeren Umfeld der Infizierten in Bayern getestet.
Der PCR-Test wurde auf der Basis der Gensequenz des Virus entwickelt. Australische Wissenschaftler haben nun bekannt gegeben, selbst das Erbgut des Coronavirus von einem Patienten entnommen und im Labor vermehrt zu haben. Das Peter-Doherty-Institut für Infektionen und Immunität in Melbourne will mit dem im Labor vermehrten Virus nun einen Antikörpertest entwickeln, mit dem man das Virus auch im Blut nachweisen kann.
Mit einem solchen Test können die von der körpereigenen Immunabwehr gebildeten Antikörper im Blut nachgewiesen werden – auch bei Infizierten, die sich noch nicht krank fühlen. Die australischen Wissenschaftler wollen dazu mit anderen Instituten und der Weltgesundheitsorganisation WHO zusammenarbeiten.
Wie läuft die Entwicklung von Impfstoffen?
Das neue Coronavirus ist eng verwandt mit dem Mers-Virus, für das Forscher bereits an Impfstoffen gearbeitet haben. Unter anderem dieses Wissen wollen die Wissenschaftler nun nutzen, um schnell ein Mittel gegen 2019-nCov zu entwickeln.
Die internationale Impfstoffinitiative "Coalition for Epidemic Preparedness Innovations" (CEPI) hat angekündigt , drei Programme mit Millionenzahlungen zu unterstützen. Darunter sind eine australische Universität, zwei Biotech-Unternehmen sowie das U.S. National Institut of Allergy and Infectious Diseases. Auch Russland und China arbeiten laut russischen Angaben an einem Impfstoff. Peking habe dafür das Erbgut des Virus an Russland übergeben, teilte das russische Konsulat am Mittwoch mit.
Ziel der CEPI ist, die Mittel schon im Juni erstmals am Menschen zu testen - nur 16 Wochen nach der Entschlüsselung des Erregers. In diesem ersten Schritt werden die Impfstoffe jedoch nur einer kleinen Gruppe verabreicht, um zu sehen, ob sie verträglich sind und erste Hinweise zu sammeln, ob sie wie gehofft wirken. Nur wenn sich diese ersten Tests als vielversprechend erweisen, sind die Stoffe bereit für einen größeren Einsatz.
Für einen Impfstoff benötigen Forscher einen Teil des Virus, etwa ein für den Erreger spezielles Eiweiß. Dieses Fragment bekommen Menschen gespritzt, damit ihre Immunsysteme Antikörper gegen das Eiweiß bilden. Kommt der Geimpfte anschließend mit dem Erreger in Kontakt, kann sein Immunsystem den Eindringling dank der Antikörper schnell erkennen und bekämpfen. Im besten Fall bricht die Krankheit gar nicht aus; im Zweifel wird sie immerhin abgeschwächt.