Coronavirus Forscher stellen Zusammenhang zwischen Nervenschäden und Long Covid fest

In einer kleinen Studie wurden Long-Covid-Patienten mit Symptomen untersucht, die auch bei einer Nervenschädigung auftreten können. Bei 60 Prozent waren kleine Nervenfasern betroffen – die vor der Infektion gesund gewesen waren.
Menschen, die an Long Covid leiden, sind häufig müde und leiden unter Kurzatmigkeit und chronischen Schmerzen

Menschen, die an Long Covid leiden, sind häufig müde und leiden unter Kurzatmigkeit und chronischen Schmerzen

Foto: Photographer / Getty Images

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA haben in einer Studie untersucht, ob womöglich Nervenschäden in einer Verbindung mit anhaltenden Symptomen nach einer Coronaerkrankung, also Long Covid , stehen könnten. Die Untersuchung zeigte: Knapp zwei Drittel der Patientinnen und Patienten wiesen tatsächlich Nervenschäden auf. Diese Schäden seien möglicherweise durch eine fehlerhafte Immunreaktion verursacht worden, vermuten die Forschenden.

Die Studie mit allerdings wenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern erschien in der Fachzeitschrift »Neurology« .

Keine Nervenschädigung vor der Erkrankung, überwiegend milde Verläufe

Eingehend untersucht worden seien für die Studie 17 Personen mit einer Long-Covid-Erkrankung, die im Zeitraum von drei Monaten nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 aufgetreten war und mindestens zwei Monate andauerte. Beobachtet wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Durchschnitt über einen Zeitraum von 1,4 Jahren.

Ausgewählt wurden Patienten und Patientinnen mit Symptomen, die auf eine Art von Nervenschädigung hinweisen könnten – auf eine sogenannte periphere Neuropathie. Dabei sind die Nerven außerhalb des zentralen Nervensystems von Rückenmark und Gehirn geschädigt. Keine der Studienteilnehmer habe vor der Infektion eine Nervenschädigung gehabt. In 16 der 17 Fälle sei die Covid-Erkrankung mild verlaufen, eine Person war intensivmedizinisch behandelt worden.

Nachdem die Wissenschaftler nach eigenen Angaben andere mögliche Erklärungen für die Beschwerden der Patientinnen und Patienten ausgeschlossen hatten, führten sie eine Reihe von Tests durch, um festzustellen, ob die Nerven betroffen waren. Und sahen ihre Vermutung bestätigt: »Nerven, die Dinge wie unsere Atmung, Blutgefäße und unsere Verdauung kontrollieren, sind in einigen Fällen bei diesen Long-Covid-Patienten geschädigt«, sagte Anne Louise Oaklander, Neurologin am Massachusetts General Hospital und Hauptautorin der Studie.

Festgestellt wurde eine Small-Fiber-Neuropathie

Bei der überwiegenden Mehrheit der Long-Covid-Patienten sei eine sogenannte Small-Fiber-Neuropathie festgestellt worden – eine Schädigung kleiner Nervenfasern, die Empfindungen wahrnehmen und unwillkürliche Körperfunktionen wie das Herz-Kreislauf-System und die Atmung regulieren. Die Neuropathie der kleinen Fasern habe in der Regel innerhalb eines Monats nach Ausbruch der Covid-19-Erkrankung begonnen. Möglicherweise habe die Infektion eine Fehlregulation des Immunsystems ausgelöst.

Frühere Studien hatten ähnliche Zusammenhänge nahegelegt. So wurde etwa bereits ein Zusammenhang zwischen Nervenfaserschäden in der Hornhaut und einer diagnostizierten Long-Covid-Erkrankung  festgestellt.

Elf der 17 Patienten, die in der aktuellen Studie untersucht wurden, erhielten eine Therapie mit Steroiden oder mit intravenösem Immunglobulin. Das sei eine Standardbehandlung für Patienten mit kleinen, durch eine Immunreaktion verursachte Nervenfaserschäden. Bei einigen habe sich die Situation verbessert, gänzlich geheilt worden sei allerdings keiner.

»Es ist möglich, dass eine Immuntherapie hilfreich sein könnte«, sagte dazu der Neuroimmunologie Avindra Nath vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke, ebenfalls Mitautor der Studie.

Unter die Symptome von Long Covid fallen Müdigkeit, Herzrasen, Kurzatmigkeit, kognitive Schwierigkeiten, chronischen Schmerzen, sensorischen Anomalien  und Muskelschwäche. Man geht davon aus, dass bis zu 30 Prozent der Menschen, die an Covid-19 erkranken, Long Covid entwickeln.

vki/Reuters
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