Vorbild Großbritannien
Labors suchen verstärkt nach neuen Corona-Mutationen
Auch in Deutschland werden positive Corona-Tests molekularbiologisch näher untersucht, um Erkenntnisse über die neuartigen Varianten des Erregers zu gewinnen. Die Zahl der Labortests ist nach den Feiertagen wieder gestiegen.
Nach den Feiertagen ist die Zahl der Labortests auf das Coronavirus in Deutschland wieder merklich angestiegen. In der Zeit vom 4. bis 10. Januar seien rund 1,06 Millionen PCR-Tests durchgeführt worden, sagte Michael Müller vom Berufsverband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) am Dienstag in einer Videoschalte und berief sich auf Daten von 169 Laboren. Laut dem Verband ist man damit wieder auf dem Niveau von Ende Oktober.
In der Weihnachtswoche und über Silvester war ein deutlicher Rückgang der Labortests verzeichnet worden, in der Woche über den Jahreswechsel waren es rund 721.000 gewesen. Die aktuellen Zahlen der Neuinfektionen sind daher nicht mit denen des Vormonats vergleichbar. Eine Aussage über das derzeitige Infektionsgeschehen und die Auswirkungen des Lockdowns ist daher schwierig.
Der Anteil positiver Tests sei laut ALM im Vergleich zur Vorwoche gesunken, von mehr als 16 Prozent auf 13,7 Prozent. Man werde dennoch erst nächste oder übernächste Woche sehen, ob der Lockdown eine Wirkung zeige, sagte Müller. »Dann sind die Testungen wieder im Gleichgewicht.«
»Haben nichts versäumt«
Der Verband versicherte, dass auch in Deutschland positive Corona-Tests molekularbiologisch näher untersucht werden, um Erkenntnisse über die Verbreitung von neuartigen Varianten des Erregers zu gewinnen. »Ich finde nicht, dass wir hier etwas versäumt haben«, sagte ALM-Vorstandsmitglied Evangelos Kotsopoulos. »Wir haben die Mutation Anfang Januar entdeckt und gesehen, dass es sich um Einzelfälle handelt.« Labors sequenzieren demnach ohnehin regelmäßig Proben, jedoch nicht in so hohem Maße wie etwa in Großbritannien.
Dass das jedoch auch in größerem Umfang geht, zeigt Großbritannien, das in Sachen Sequenzierung als Vorbild gilt. Dort schlossen sich nach dem Ausbruch Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitssystems und Forschungsinstituten zusammen, um die Verbreitung von Mutanten flächendeckend zu überwachen. Dies wird zudem von der Regierung finanziell gefördert. Nach eigenen Angaben analysierte dieses Covid-19 Genomics UK Consortium bisher rund 170.000 Proben.
Entsprechend liegen aus Großbritannien genauere Informationen zur Ausbreitung der neuartigen Varianten vor. Das Institut für Virologie an der Charité, an dem auch das nationale Konsiliarlabor angesiedelt ist, stellte demgegenüber bislang insgesamt rund 3000 Gensequenzen auf seiner Internetseite ein, die zwischen Dezember 2019 und Dezember 2020 erstellt wurden. Etwa 900 davon stammten aus dem eigenen Haus, rund 2000 wurden von anderen Laboren analysiert und in der Gisaid-Datenbank (Global Initiative for Sharing All Influenza Data) veröffentlicht.
Aufschluss über Mutationen von Coronviren geben die sogenannten Gensequenzdaten, die aus der Analyse geeigneter positiver Tests stammen. In Deutschland werden diese vom Robert Koch-Institut (RKI) gesammelt. Die Auswertung selbst erfolgt aber durch das nationale Coronaviren-Konsiliarlabor an der Berliner Charité. Daneben greift das RKI zusätzlich auf Datenbanken wie die der Gisaid zu, in die weltweit zahlreiche Labors ihre Erkenntnisse einspeisen.
Der Entwurf sieht vor, dass Labors in Deutschland wöchentlich bis zu fünf Prozent ihrer Corona-Tests molekularbiologisch untersuchen und die Ergebnisse an das RKI übermitteln. Die höheren Kosten für diese Analysen übernimmt der Bund, pro Datensatz sollen die Labors 200 Euro erhalten. Rechtliche Grundlage ist das jüngst vom Bundestag verabschiedete dritte Bevölkerungsschutzgesetz.
Erst dieses neue Gesetz mache es möglich, die Gensequenzdaten »strukturiert zu erheben und beim RKI zusammenzuführen«, hieß es dazu laut Nachrichtenagentur AFP aus dem Bundesgesundheitsministerium. Es werde »mit Hochdruck« an der entsprechenden Verordnung gearbeitet. Dagegen kritisierten Politiker der Oppositionsparteien Grüne, FDP, dass die Sequenzierung nicht bereits zuvor massiv ausgeweitet wurde.