Darminfektionen Zahl der Ehec-Fälle sprunghaft angestiegen

Notaufnahme des Hamburger Marienkrankenhauses: Täglich neue Hus-Fälle
Foto: Angelika Warmuth/ dpaHamburg - Während Politiker und Behörden darüber streiten, ob die eine Warnung vor spanischen Salatgurken übereilt ausgegeben wurde, steigt die Zahl der Ehec-Infektionen sprunghaft an. Das Robert Koch-Institut meldete am Mittwoch 365 neue Ehec-Fälle. Vor allem in Hamburg und Niedersachsen haben sich die Fallzahlen erneut deutlich erhöht. In der Hansestadt wurden bis Mittwochvormittag insgesamt 668 Ehec-Fälle oder -Verdachtsfälle gemeldet, wie Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) mitteilte.
124 dieser Infizierten werden in den Hamburger Krankenhäusern stationär wegen der Komplikation hämolytisch-urämisches Syndrom (Hus) oder wegen Hus-Verdachts behandelt. "Dies bedeutet im Vergleich zu gestern 14 zusätzlich gemeldete Hus-Fälle", erklärte die Senatorin. "Die Situation bleibt besorgniserregend, und es ist auf jeden Fall zu früh, um in irgendwelcher Form Entwarnung zu geben."
Auch in Niedersachsen ist die Zahl der Ehec-Infektionen im Vergleich zu Dienstag rapide gestiegen: Bisher haben sich nun vermutlich 344 Menschen mit dem gefährlichen Darmbakterium infiziert, 80 mehr als am Vortag. Bei 250 Fällen gibt es schon eine definitive Bestätigung durch Laboruntersuchungen, sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Thomas Spieker, am Mittwoch in Hannover.
Am Vortag hatte die Zahl der bestätigten Erkrankungen und der Verdachtsfälle noch bei 264 gelegen. Auch die Zahl der Menschen, die an Hus erkrankt sind, ist von 47 auf 68 gestiegen. Besonders betroffen ist der Landkreis Cuxhaven: Hier sind 48 Menschen nachweislich mit Ehec infiziert, 18 von ihnen leiden an der schweren Komplikation Hus.
Epizentrum in Hamburg
Insgesamt meldete das Robert Koch-Institut 470 bestätigte Hus-Fälle in ganz Deutschland. Das sind knapp hundert Hus-Fälle mehr als die noch am Dienstag registrierten 373 Erkrankungen. Die Erkrankten leiden unter blutigem Durchfall, Blutarmut und versagenden Nieren und müssen auf Intensivstationen behandelt werden. Insgesamt haben sich bisher 1064 Menschen nach RKI-Angaben mit Ehec angesteckt.
Der EU-Gesundheitskommissar John Dalli hat die Ausbreitung des Darmkeims als "ernste Krise" bezeichnet. Gleichzeitig rief Dalli am Mittwoch in Brüssel die Bevölkerung zur Besonnenheit auf: "Die Öffentlichkeit sollte ruhig bleiben und grundlegende Hygiene-Regeln bei der Zubereitung von Essen beachten", sagte der EU-Kommissar. Auch wenn das Epizentrum der Krise im Raum Hamburg liege, seien Warnungen vor Reisen in die Region ebenso wenig angemessen wie das generelle Verbot bestimmter Lebensmittel.
Den Angehörigen der verstorbenen Patienten sprach Dalli sein Mitgefühl aus. "Ich fordere die Mitgliedsstaaten, und besonders Deutschland auf, ihre Bemühungen zu verstärken", um die Quelle des lebensgefährlichen Darmkeims rasch auszumachen, sagte der EU-Kommissar. Gemeinsam mit EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos suche er nach Möglichkeiten, die Gemüsebauern zu unterstützen, die aufgrund der Ehec-Krise unter Umsatzeinbußen leiden. Angaben zu den bisherigen Verlusten der Landwirte konnte Dalli nicht machen.
Derweil schließt die Spanische Regierung rechtliche Schritte gegen deutsche Behörden nicht aus, die im Zusammenhang mit der Ehec-Epidemie vor spanischem Gemüse gewarnt haben. Der stellvertretende Ministerpräsident Alfredo Pérez Rubalcaba sagte am Mittwoch in Madrid: "Wir schließen nicht aus, Schritte gegen Hamburger Behörden einzuleiten, die die Qualität unserer Produkte in Frage gestellt haben."
Spanien hat deutschen Behörden vorgeworfen, bereits vor der Bekanntgabe von Untersuchungsergebnissen spanisches Gemüse für die Verunreinigung mit gefährlichen Ehec-Bakterien verantwortlich gemacht zu haben. Dies habe große finanzielle Verluste für die spanischen Obst- und Gemüseexporteure verursacht.
Unterdessen suchen Seuchenexperten weiterhin nach der Quelle für den Erreger. Der genaue Ursprung der Ehec-Infektionen ist nach wie vor unbekannt. Bis die Quelle ausfindig gemacht ist, empfehlen die Behörden weiterhin vorsichtshalber auf den Konsum von rohem Gemüse zu verzichten.