SPIEGEL TV Magazin

Trotz Verbot Deutsche Klinik bietet Stammzelltherapie an

Forschung und Wissenschaft setzen große Hoffnung in Stammzellen, aber die Medizin ist noch nicht so weit. Dennoch wird nach SPIEGEL-TV-Informationen schon heute versucht, mit der Stammzelltherapie Geschäfte zu machen. Auch in Deutschland wird die Behandlung angewandt - obwohl es verboten ist.

Hamburg - Sabra T. ist nur aus einem Grund nach Deutschland gekommen. Die Tunesierin will ihrer Tochter Sameh helfen. Die junge Frau hat einen schweren Hirnschaden, nachdem sie vor sechs Jahren einen Herzinfarkt erlitten hatte und dadurch mehr als zehn Minuten ohne Sauerstoffversorgung war. Seitdem liegt sie im Wachkoma.

Ende Februar kommt Sabra T. mit ihrer Tochter nach Bad Godesberg. Hier befindet sich die private Elisées-Klinik, und hier soll Sameh geholfen werden. "Die haben mir gesagt, diese Methode ist das Beste, man habe damit schon viele schwere Krankheiten geheilt", so die Mutter. Der Wachkoma-Patientin werden eigene Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen und anschließend unter anderem ins Rückenmark transplantiert. Preis für die Behandlung: 9500 Euro.

Was die Tunesierin zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Der privaten Klinik ist es nach einer Unterlassungsverfügung der Bezirksregierung Köln vom Dezember 2011 untersagt Stammzellen herzustellen. Die Behandlung der jungen Frau wäre demnach ein Verstoß gegen diese behördliche Verfügung.

Viele schwerkranke Menschen setzen große Erwartungen in Stammzellen. Eines Tages, so die Hoffnung, soll diese Art der Zellen Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Lähmungen heilen. Noch ist die Medizin nicht so weit. Dennoch wird nach Informationen von SPIEGEL TV (SPIEGEL TV Magazin, Sonntag, 22.15 auf RTL) schon heute versucht, mit der Stammzelltherapie ein Geschäft zu machen.

Der Fall der jungen Tunesierin ist nicht der erste, bei dem eine kommerzielle Stammzelltherapie in Deutschland angeboten wird. Erst im vergangenen Jahr hatte ein anderes Medizin-Unternehmen, das XCell-Center in Düsseldorf, seinen Betrieb eingestellt, nachdem die zuständigen Behörden die dortigen Behandlungen untersagt hatten. 2010 war bekannt geworden, dass ein Kleinkind nach einer Stammzellbehandlung im XCell-Center an einer durch eine Operation verursachten Hirnblutung gestorben war. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut hatte damals die Methoden des XCell-Center als bedenklich eingestuft.

Die Klinik wirbt im Internet für die Therapie

Nun versucht man offenbar, nur ein paar Kilometer vom alten XCell-Center-Standort entfernt in der Elisées-Klinik Geld zu machen mit der Hoffnung schwerkranker und verzweifelter Menschen. Behandlungsunterlagen, die SPIEGEL TV vorliegen, zeigen, dass die Stammzelltherapie dort bis zu 24.000 Euro kostet. Mindestens ein Mediziner, der zuvor im XCell-Center tätig war, arbeitet nun in der Bad Godesberger Klinik. Auch Sabra T. wollte ihre Tochter ursprünglich im XCell-Center behandeln lassen. Nach dessen Schließung erhielt sie dann Kontakt zur Elisées-Klinik.

Auf Anfrage von SPIEGEL TV wies ein Vertreter der Elisées-Klinik die Vorwürfe zurück. Er dementierte, dass Stammzelltherapien stattfänden. Zwei Tage später verwiesen Rechtsanwälte der Klinik auf ein laufendes Verfahren, Auskünfte seien zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.

Die private Einrichtung wirbt allerdings im Internet für Stammzelltherapien. Auf einer Internetseite der Klinik heißt es, die Methode könne bei diversen schweren Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Diabetes, Rückenmarksverletzungen oder Multipler Sklerose helfen. Diese Web-Seite ist allerdings so programmiert, dass sie von einem deutschen Internetzugang aus nicht abrufbar ist, sondern nur mit einer IP-Adresse aus dem Ausland erreicht werden kann. Auf der deutschen Web-Präsenz der Klinik ist von Stammzellbehandlungen nicht die Rede.

Sowohl Mediziner als auch Stammzellforscher sehen diese Art der Behandlung als kritisch an, da es bislang keinen wissenschaftlichen Nachweis für deren Wirksamkeit gibt. Zu den Risiken zählt dagegen unter anderem die Gefahr von Tumorzellbildungen.

Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Prof. Wolfgang Oertel, bezeichnet derartige Stammzelltherapien gegenüber SPIEGEL TV als unseriös. Auch der Kölner Neurophysiologe Prof. Jürgen Hescheler, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Stammzellforschung, kritisiert derartige Behandlungen. Die Wissenschaft sei von einem klinischen Einsatz von Stammzellen, bei dem es um die Behandlung diverser schwerer Erkrankungen geht, noch weit entfernt.

Sabra T. will wissen, ob die Behandlung ihrer Tochter womöglich geschadet hat. "Man muss mir sagen, ob es später noch Komplikationen geben kann", sagt die Mutter. Zurzeit hat sich der gesundheitliche Zustand der jungen Frau verschlechtert, sie liegt im Krankenhaus. Dass Sameh eines Tages aus dem Wachkoma aufwachen könnte: Trotz aller Hoffnung der Mutter - die Ärzte halten es für ausgeschlossen.


SPIEGEL TV Magazin, Sonntag, 22.15 Uhr, RTL

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