Virologe Drosten über Omikron-Welle Für Ungeimpfte über 60 wird es jetzt »richtig gefährlich«

Omikron ist wahrscheinlich milder als vorige Varianten des Coronavirus – aber es verbreitet sich viel schneller. Was das für die kommenden Wochen bedeutet.
Christian Drosten: »Wir haben zu viele ungeimpfte Leute in Deutschland«

Christian Drosten: »Wir haben zu viele ungeimpfte Leute in Deutschland«

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Die Bundesregierung und prominente Virologen haben sich vorsichtig optimistisch über die möglichen Auswirkungen der Omikron-Welle in Deutschland geäußert – gleichzeitig aber vor einer wachsenden Gesundheitsgefahr für Ungeimpfte gewarnt. »Wir haben zu viele ungeimpfte Leute in Deutschland, gerade über 60, und die sind jetzt natürlich richtig in Gefahr, also für die wird es jetzt richtig gefährlich«, sagte der Berliner Virologe Christian Drosten am Freitag im Deutschlandfunk. Drosten und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verwiesen zugleich auf Studien über etwas seltenere schwere Krankheitsverläufe durch Omikron.

Der Omikron-Anteil an den Infektionen in Deutschland nimmt laut jüngstem Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) rasant zu. Wie hoch die Omikron-Welle bereits ist, ist unklar. Wegen der Feiertage gehen weniger Menschen in Arztpraxen, und es gibt insgesamt weniger Tests, weshalb die aktuellen Zahlen weniger aussagekräftig sind.

Aktuelle Verdopplungszeit: wohl etwa vier Tage

Drosten erläuterte, es gebe in Deutschland wahrscheinlich eine etwas langsamere Omikron-Wachstumsrate als in England. Dort gab es zuletzt 189.000 Corona-Neuinfektionen am Tag, in Deutschland 41.240. In Großbritannien gebe es alle zwei Tage eine Verdoppelung der Omikron-Fälle, hierzulande etwa alle vier Tage, so Drosten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in seiner Neujahrsansprache: »Tun wir miteinander alles – aber auch wirklich alles – dafür, dass wir Corona im neuen Jahr endlich besiegen können.« Angesichts einer raschen Omikron-Ausbreitung gelte es, alle Impfangebote zu nutzen. »Jetzt kommt es auf Tempo an. Wir müssen schneller sein als das Virus«, sagte Scholz laut vorab verbreitetem Redetext.

Drosten zeigte sich skeptisch auf die Frage, ob sich Deutschland quasi aus der Omikron-Welle herausboostern könne. »Wenn die Verbreitungsgeschwindigkeit in Deutschland deutlich langsamer ist und wenn die auch noch mal im Januar zusätzlich kontrolliert wird, dann ist das rein theoretisch denkbar, aber ich würde das für schwierig halten«, sagte er.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck drückte in der Sendung »RTL Direkt« die Hoffnung aus, »dass wir eine mildere Welle bekommen«. Zuversichtlich stimmt Virologen und Regierung, dass eine Infektion mit Omikron sehr wahrscheinlich milder verläuft als mit vorherigen Varianten. Hierfür mehrten sich die Daten, sagte Drosten. Ein Ungeimpfter mit Omikron-Infektion trage drei Viertel des Risikos einer Krankenhauseinweisung eines Ungeimpften mit Delta. Lauterbach schrieb auf Twitter über die Daten aus Südafrika, diese zeigten, »dass Omikron sich zwar viermal so schnell wie Delta verbreitete, aber deutlich weniger schwere Fälle verursachte«. Klare Schlüsse auf ältere Ungeimpfte lasse die Studie aber nicht zu.

Weiter große Herausforderung für die Intensivmedizin

Der Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Christian Karagiannidis, sagte der »Rheinischen Post«: »Die schiere Anzahl von Neuinfektionen, auf die wir derzeit zusteuern, könnte die Intensivkapazitäten dennoch vor große Herausforderungen stellen, noch mehr aber die Hospitalisierung insgesamt.« Laut RKI ist weiter mit einer schlagartigen Erhöhung der Infektionen und einer Überlastung des Gesundheitssystems und weiterer Versorgungsbereiche zu rechnen.

Aus Sicht von Drosten ist relativ klar, dass es die bekannten Kontaktbeschränkungen weiter geben müsse. Für den 7. Januar ist die nächste Ministerpräsidentenkonferenz zur Coronalage anberaumt. Lauterbach hatte Vorschläge für kommende Woche angekündigt. Es gehe etwa darum, was der dynamische Anstieg der Omikron-Fälle für die Kontaktreduzierungen und die Dauer von Quarantänezeiten bedeute.

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Menschen ohne Impfung sind laut Drosten nach überstandener Omikron-Infektion nicht unbedingt vor Corona geschützt: »Wir können uns nicht ohne Weiteres darauf verlassen, dass diejenigen, die jetzt noch nicht geimpft sind und dann Omikron erstmals kriegen, dass die damit auch geschützt sind gegen Delta und alle Vorgängerviren, die co-zirkulieren werden«, sagte er. Geimpfte hingegen würden nach einer weiteren an Omikron angepassten Impfung einen breiten Schutz gegen die Varianten haben. Erwartet wird, dass es im Frühjahr an Omikron angepasste Impfstoffe gibt.

wbr/dpa
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