
Darminfektionen: Jagd auf die Ehec-Mikrobe
Ehec-Infektionen Mediziner raten von rohem Gemüse für Kinder ab
Wiesbaden/Berlin - Expertenteams suchen derzeit fieberhaft nach der Quelle für die derzeit grassierende Ehec-Seuche - zugleich ist der Bedarf an Ratschlägen für Vorsichtsmaßnahmen groß. Denn die Bevölkerung ist verunsichert: Was kann man noch ohne Bedenken essen, was sollte man meiden? "Ich rate Eltern dringend dazu, hellwach zu sein und alle Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten", sagt Ulrich Fölsch von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) aus Wiesbaden.
Seit Tagen steigt die Zahl der Ehec-Infektionen - besonders bei Erwachsenen. Doch viele Eltern sorgen sich auch um die Gesundheit ihres Kindes, befürchten eine Ansteckung mit der gefährlichen Durchfallerkrankung. Sie fühlen sich jetzt verunsichert, achten sie doch häufig auf eine gesunde Ernährung, kaufen frische Produkte und viel Obst und Gemüse.
Und da gilt es jetzt, ganz besonders aufzupassen. "Obst sollte in diesen Tagen vor dem Verzehr sehr gründlich abgewaschen werden", sagt Fölsch und warnt davor, frischgekaufte Früchte, zum Beispiel vom Wochenmarkt oder aus der Supermarkttheke direkt "aus der Hand" zu naschen. "Solange die Ursachen nicht geklärt sind, sollten Eltern hier konsequent bleiben."
Rohkost, zum Beispiel geschnittene Gurkenstreifen, Paprika oder Wurzelgemüse sollte am besten in der nächsten Zeit vom Speiseplan gestrichen werden. Auch in Kitas und Kindergärten. "Fragen Sie bei der Kindergartenleitung nach, woher das Mittagessen kommt und wie es zubereitet wird", rät der Experte. Werden die Hygienevorschriften eingehalten? Wird Gemüse gekocht?
"Wenn der Kindergarten von einer Großküche beliefert wird, sollten Eltern überdenken, ob sie ihrem Kind in den nächsten Tagen nicht lieber eine Brotdose mit selbstzubereiteten Lebensmitteln mitgeben", sagt der Internist und Gastroenterologe, der damit "auf Nummer sicher gehen möchte". Dazu gehört auch, Kinder zu regelmäßigem Händewaschen aufzufordern.
Schwangere sollten auf Rohmilchprodukte verzichten
Direkt nach Betreten des Kindergartens müssen Kinder die Hände gründlich mit Seife und warmem Wasser waschen, "aber auch nach jedem Toilettengang und vor dem Essen". Nur so könne verhindert werden, dass Kinder, die das Ehec-Bakterium bereits in sich tragen, es direkt weiterverbreiten.
Auch Schwangere sollten besondere Vorsicht beim Umgang mit Lebensmitteln walten lassen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in Berlin. Werdende Mütter sollten auf keinen Fall rohes Fleisch wie Tatar oder Mettwurst essen und auch auf Rohmilchprodukte aller Art verzichten. Eine Infektion mit dem Erreger könne zu schwersten Durchfällen und Nierenversagen führen und damit das Risiko von Fehl- und Frühgeburten erhöhen, warnt die DGGG.
Da nicht ausgeschlossen werden könnte, dass derzeit auch frisches Gemüse, Obst und Salate mit Ehec kontaminiert sind, sollten Schwangere zudem auf frisches, nicht abgekochtes Obst, Gemüse und Salat vorübergehend verzichten. Der Keim sterbe sicher ab, wenn er länger als zehn Minuten über 70 Grad erhitzt wird. Deshalb gehe keine Gefahr von Speisen aus, die ausreichend lange gekocht, gebraten, gegrillt oder gebacken wurden.
Wichtig sei außerdem, die Hände, Arbeitsflächen und Küchenutensilien nach der Zubereitung von rohem Fleisch gründlich zu säubern. Die DGGG empfiehlt darüber hinaus, Hand- oder Geschirrtücher bei 60 Grad zu waschen, wenn sie mit rohem Fleisch in Berührung gekommen sind. Diese Empfehlung sei so lange gültig, bis die Ursache der aktuellen Erkrankungswelle geklärt sei.
Ansonsten empfiehlt Fölsch Erwachsenen, etwaige Krankheitsymptome nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. "Bemerken Menschen Blut im Stuhl oder blutigen Durchfall, sollten sie dies unbedingt und ohne zu zögern ärztlich abklären lassen." Falls sich beim Hausarzt ein Verdacht abzeichnet, werde dieser umgehend selbst weitere nötige Schritte einleiten, an spezielle Zentran überweisen und das Gesundheitsamt kontaktieren.
Verbraucherschutzministerin beschwichtigt
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) aber beschwichtigt angesichts der Ehec-Erkrankungen Ängste vor Ansteckung: "Auf Gemüse muss niemand verzichten", sagte die CSU-Politikerin der "Passauer Neuen Presse". "Grundsätzlich sollten vor dem Verzehr stets die allgemeinen Hygiene-Empfehlungen beachtet werden. Rohes Gemüse und Obst vor dem Essen schälen oder zumindest gründlich waschen."
Gleichwohl bezeichnete sie die Ausbreitung des gefährlichen Darmkeims Ehec als "besorgniserregend". "Wir können momentan noch nicht sagen, wo die Quelle ist und können deshalb auch keine neuen Fälle ausschließen", sagte Aigner am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin" anlässlich des Deutschen Verbrauchertags.
Das besonders aggressive Bakterium treibt seit Mitte Mai in Deutschland sein Unwesen. Die massive und plötzliche Verbreitung des Keims macht die Experten ratlos. Wie er übertragen wird, ist immer noch nicht endgültig geklärt. Jedoch wurde die Vermutung geäußert, dass ungewaschenes, mit Gülle gedüngtes Gemüse der Grund für die Ansteckung sein könnte.
Die Bauern fühlen sich zu Unrecht beschuldigt. "Da wird gemutmaßt, dass der Ehec-Erreger über Gülle auf das Gemüse gespritzt worden sei. Dabei ist es total abwegig, Gemüse mit Gülle zu düngen", sagte ein Sprecher der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Münster. "Gülle wird nur auf Getreide-, Mais- oder Rapsäckern versprüht, aber noch bevor ausgesät wird." Wahrscheinlich hat der Keim inzwischen drei Frauen getötet.
Das zuständige Robert Koch-Institut (RKI) geht von weiteren Erkrankungen in Deutschland aus. "Wir müssen auch klar sagen, dass wir mit Todesfällen rechnen müssen", sagte RKI-Präsident Reinhard Burger am Dienstag in Berlin. Mittlerweile gibt es auch in immer mehr südlich gelegenen Bundesländern bestätigte Erkrankungen und Verdachtsfälle.
Ungeachtet der noch unbekannten Infektionsquelle schätzt Aigner die Sicherheit der Produkte hierzulande im Allgemeinen als sehr hoch ein. "Wir haben in Deutschland wirklich die sichersten Lebensmittel", sagte die Politikerin am Mittwoch im Inforadio. Sie räumte jedoch auch ein, dass Lebensmittelskandale nicht vollkommen auszuschließen seien. "Es werden immer wieder Probleme auftreten."
Am Mittwoch will sich auch der Gesundheitsausschuss des Bundestags mit dem Thema befassen. Die Vorsitzende Carola Reimann (SPD) sagte der "Braunschweiger Zeitung": "Es gibt keinen Anlass zur Hysterie, aber dass wir es jetzt mit den ersten Todesfällen zu tun haben, erfüllt einen natürlich mit Sorge."