Kehrtwende in Brüssel Juncker lässt Gesundheitsressort unberührt

Erfolg für das EU-Parlament: Jean-Claude Juncker will die Bereiche Arzneimittel und Medizinproduktezulassung nun offenbar doch nicht dem Industrieressort unterstellen. Die zuständige Kommissarin Bienkowska bekommt stattdessen den Bereich Weltraum.
Kommissionspräsident Juncker (links) und designierter Gesundheitskommissar Andriukaitis: "Erfolg für die Parlamentarier"

Kommissionspräsident Juncker (links) und designierter Gesundheitskommissar Andriukaitis: "Erfolg für die Parlamentarier"

Foto: EU/ Shimera/ Etienne Ansotte

Brüssel - Die Pläne von Jean-Claude Juncker, die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) und den Bereich der Zulassung von Medizinprodukten ab sofort dem Industrieressort zu unterstellen, sind vom Tisch. Die beiden Ressorts bleiben nun doch dem Gesundheitsressort unterstellt.

Wie Manfred Weber, Chef der größten Fraktion im Parlament, der Europäischen Volkspartei (EVP- Christdemokraten), am Mittwoch berichtete, wird die angehende polnische Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska diese nun doch abgeben. Da Juncker aber starke Frauen in seiner Kommission haben will und diesen auch wichtige Posten versprochen hatte, wird Bienkowska offenbar stattdessen der Bereich Weltraum zugeteilt, der bisher im Ressort Verkehr verantwortet wurde.

"Diese Entscheidung von Juncker ist ein Erfolg für die Parlamentarier", sagt Peter Liese, gesundheitspolitische Sprecher der EVP. Er halte Elzbieta Bienkowska zwar für eine geeignete Kandidatin, aber es müsse der Anschein vermeiden werden, dass Industrieinteressen in diesem sensiblen Bereich über Gesundheitsinteressen stehen. In allen Mitgliedstaaten sei selbstverständlich der Gesundheitsminister für Medizinprodukte und Arzneimittel zuständig.

Sicherheit alleiniges Prüfkriterium für Arzneimittel

Auch im Europäischen Parlament habe es hierüber nie eine Diskussion gegeben. Wichtig sei, dass laufende Gesetzgebungsverfahren, zum Beispiel über Medizinprodukte, zügig abgeschlossen würden. Dafür sei der designierte Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis der richtige Mann. Dieser sei Herzchirurg und als Gesundheitsminister Litauens mit den Themen vertraut, sagte Liese. Dreimal hatte sich zuvor auch der EU-Ausschuss für Umwelt, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit gegenüber Juncker dafür ausgesprochen, die Kompetenz beim Gesundheitskommissar zu belassen.

Nicht nur Parlamentarier, sondern auch zahlreiche Gesundheitsexperten und europäische Gesundheitsverbände hatten zuvor die Ankündigung Junckers, die beiden wichtigen Bereiche aus der Verantwortung des Gesundheitskommissars Andriukaitis herauszulösen, stark kritisiert. Auch deutsche Gesundheitsexperten meldeten sich zu Wort. Sie alle sorgen sich, dass bei der Zulassung von Medizinprodukten oder Arzneimitteln ab sofort das Interesse der Industrie wichtiger sein könnte als das der Verbraucher.

"Wir werden große Probleme bekommen, wenn wir das nicht verhindern können", sagte Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Erst vor fünf Jahren sei die EMA in den Bereich des Gesundheitsressorts gekommen. Damals habe unter anderem verhindert werden können, dass Arzneimittelhersteller Werbung direkt beim Verbraucher machen können. "Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität von Arzneimitteln seien die alleinigen Prüfkriterien für die Zulassung von Arzneimittelwirkstoffen", erklärte der Chef des Gemeinsamen Bundesausschuss, Josef Hecken. Diese dürfen niemals gegen wirtschafts- oder industriepolitische Erwägungen aufgewogen werden oder gar hinter diesen zurückstehen.

Anfang September hatte der designierte EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker die Pläne für seine neue Kommission vorgestellt. Anders als zuvor will er die Arbeit der Kommission in sieben Projektteams organisieren, außerdem hatte Juncker einige Änderungen in den Zuständigkeiten vorgesehen. Kritik des EU-Parlamentes gab es seither nicht nur an einzelnen Kandidaten, sondern auch am Zuschnitt der Ressorts. Seither hat Juncker einige Zugeständnisse gemacht. Wenn nun alles gut läuft, wird das EU-Parlament die neue Kommission unter Juncker Ende Oktober bestätigen.

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