Haushaltsausschuss Management von EU-Forschungsprojekten in der Kritik

Der Haushaltsausschuss des EU-Parlaments kritisiert Management und Geldflüsse vieler Forschungsprojekte. Ihr Haushalt für 2013 wurde vorerst nicht freigegeben. Betroffen sind auch das Pharmaprojekt IMI und der Fusionsreaktor Iter.
Kernfusionsreaktor Iter (Zeichnung): In der Kritik wegen immenser Kostensteigerungen

Kernfusionsreaktor Iter (Zeichnung): In der Kritik wegen immenser Kostensteigerungen

Foto: ITER Organization

Brüssel - Gegenwind für zahlreiche europäische Forschungsprojekte: Die Kontrolleure des EU-Haushaltsausschusses haben einstimmig die Entlastung der jeweiligen Projekt-Haushalte für 2013 verweigert und zusätzliche Informationen angefordert, bevor es zu einer erneuten Abstimmung kommen soll.

Kritisiert werden das Europäische Forschungsinstitut für Innovation und Technologie  (EIT) und vier der sieben großen Technologiepartnerschaften der EU - das sind Kooperationen privater Industriekonzerne mit der EU-Kommission, Joint Undertakings (JU) genannt.

Im Fokus stehen das wegen hoher Kosten schon länger umstrittene Kernforschungszentrum Iter , das im südfranzösischen Cadarache entsteht, außerdem das in Stockholm verankerte Artemis-Projekt  - hier geht es um die Entwicklung neuer IT-Systeme. Das Nanoelektronik-Projekt Eniac  ist ebenso in der Kritik wie die mehr als 2,5 Milliarden Euro Steuergelder umfassende "Innovative Medicines Initiative " (IMI), die 2009 als "Champions League für biomedizinische Forschung" gestartet war.

Die Akteure aller EU-Projekte müssen belegen, dass die ihnen anvertrauten Steuergelder korrekt und sinnvoll eingesetzt wurden. Dies stellen die Kontrolleure des Parlaments in vielen Bereichen infrage. Sie monieren unzureichende Übersicht über getätigte Überweisungen von Geldern, das Iter-Projekt wird etwa für verzögerte Überweisungen und wachsende Kosten kritisiert.

Der Verbund der europäischen Pharmaindustrie ist Partner im IMI-Projekt

Der Verbund der europäischen Pharmaindustrie ist Partner im IMI-Projekt

Recherchen von SPIEGEL ONLINE, des Schweizer Radios und Fernsehens  (SFR) sowie der belgischen Tageszeitung "De Standaard"  hatten erst Anfang des Monats ergeben, dass IMI vor allem dazu dient, die Pharmaindustrie über den Umweg der Forschungsförderung zu subventionieren. Nun kommt neuerliche Kritik durch den Haushaltsausschuss.

Das Budget der IMI umfasst derzeit mehr als fünf Milliarden Euro. Die Hälfte des Geldes kommt von der EU, es geht an teilnehmende Projektpartner wie Universitäten, Mittelständler und Institute. Die andere Hälfte stellen die europäischen Arzneimittelkonzerne (EFPIA), sie investieren Sachleistungen, indem sie etwa ihre Labore bereitstellen.

Zur Kritik des Haushaltskontrollausschusses erklärt Catherine Brett, Sprecherin von IMI, man werde "auf alle Fragen, die durch den Ausschuss aufgeworfen wurden, reagieren." Jedes Jahr liefere das JU allerdings bereits einen Report über die finanziellen Transaktionen und man nehme das Management des öffentlichen Fonds sehr ernst.

Das überzeugt Ingeborg Grässle, Vorsitzende des Haushaltskontrolleure im Parlament, nicht "Wenn ich neue Projekte dieser Art verhindern könnte, dann würde ich es tun", wiederholt sie ihre Kritik im Deutschlandradio. Die CDU-Politikerin stört der inhärente Interessenkonflikt innerhalb der JUs, "der sagt ganz klar, dass sie natürlich als Teil der Industrie sehr viel industrienäher arbeiten als steuerzahlernah und daraus ergibt sich ein Konflikt, der quasi nicht aufzulösen ist."

Kontrolleure fordern mehr Einsicht

Im Fall von Iter folgen die Haushaltskontrolleure auch den Forderungen der Grünen-Fraktion im EU-Parlament. "Dass der Haushaltskotrollausschuss die Entlastung ablehnt, ist ein gutes Zeichen", sagte Helga Tüpel, Haushaltsexpertin der Grünen in Brüssel. Tümpel sprach von "wahnwitzigen Kosten", es gebe einfach schon zu lange ein Missmanagement.

Reaktor Iter (Zeichung): Vorwurf Missmanagement

Reaktor Iter (Zeichung): Vorwurf Missmanagement

Foto: ITER Organization

Iter ist ein Kernforschungsreaktor, mit dem Wege zur Energieerzeugung durch Kernfusion erforscht werden sollen. Finanziert wird die Anlage durch die teilnehmenden Staaten, darunter die USA, Indien und China. Den Großteil der Finanzierung stemmt die EU, in der aktuellen Förderperiode von 2014 bis 2020 sind das 2,9 Milliarden Euro.

Entlastung verschieben

Das Europäische Institut für Innovation und Technologie (EIT) fiel durch die Prüfung, weil die Abgeordneten nicht mit der internen Überprüfung der Geldflüsse laufender und abgeschlossener Projekte zufrieden waren. Besonders stellten die Parlamentarier die Vergabe öffentlicher Aufträge infrage.

Website des Eniac-Konsortiums: Nachbesserung erwünscht

Website des Eniac-Konsortiums: Nachbesserung erwünscht

Foto: eniac.eu

Mit seiner jährlichen Entlastung überprüft das Parlament, ob die EU-Gelder nach den festgeschriebenen Regeln ausgegeben wurden. Das Parlament kann eine Entlastung gewähren, verschieben oder verweigern. Doch eine Entlastung ist erforderlich - nur mit diesem Gütesiegel gelten die Projekte als korrekt beendet und abgeschlossen.

Über die Empfehlungen des Ausschusses wird zwischen dem 29. und 30. April im Parlament abgestimmt.

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