Flut in Westdeutschland Behörden warnen vor Corona-Ausbreitung in Katastrophengebieten

Auf das Hochwasser könnte die Viruswelle folgen: In den Unwetterregionen wächst die Sorge vor vermehrten Covid-Fällen. Vor allem die vollen Notunterkünfte sind problematisch.
Aufräumarbeiten in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Rheinland-Pfalz

Aufräumarbeiten in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Rheinland-Pfalz

Foto: Thomas Frey / dpa

Die Bergungs- und Aufräumarbeiten sind noch in vollem Gange. Doch schon jetzt blicken die Behörden in den betroffenen Gebieten mit Besorgnis auf mögliche Gesundheitsrisiken nach den verheerenden Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Aktuell wächst die Angst vor einer Corona-Ausbreitung. »Derzeit kommen viele Menschen auf engstem Raum zusammen, um die Krise gemeinsam zu bewältigen. Wir müssen jetzt aufpassen, dass die Bewältigung der Katastrophe nicht zu einem Superspreader-Event wird«, sagte David Freichel vom Corona-Kommunikationsstab der Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Das Landesgesundheitsministerium bereitet deshalb laut Freichel in Absprache mit den Behörden der betroffenen Landkreise eine Sonder-Impfaktion in den Katastrophengebieten vor. Viele Rettungskräfte hätten bereits den vollen Impfschutz.

Auch das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen warnte vor einem steigenden Infektionsrisiko in den Hochwassergebieten. »Eine erhöhte Gefahr der Ausbreitung von Sars-CoV-2 könnte sich vor allem durch die Unterbringung von Personen in Notunterkünften entwickeln«, teilte das Ministerium in Düsseldorf laut RND mit.

Die Gefahr könne aber mit Tests, Masken und Lüften reduziert werden. »In den Notunterkünften wurde vielfach bereits medizinische Versorgungsstruktur etabliert«, erklärte das Ministerium. Zusätzlich bereiteten den Behörden die zusammengebrochene medizinische Infrastruktur, etwa durch zerstörte Hausarztpraxen, Sorgen.

164 Tote, Sachschäden gehen in die Milliarden

Die Unwetter, die Mitte der vergangenen Woche in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eingesetzt hatten, führten in der Nacht zum Donnerstag zu massiven Verwüstungen. Mindestens 164 Menschen starben in beiden Bundesländern, es gelten zudem noch zahlreiche Personen als vermisst.

Auch die wirtschaftlichen Folgen sind immens. Die bei der Bahn und an Straßen angerichteten Schäden liegen nach ersten Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums bei fast zwei Milliarden Euro. Allein im Schienennetz der Deutschen Bahn und an den Bahnhöfen seien demnach Schäden von rund 1,3 Milliarden Euro entstanden, berichtete die »Bild«-Zeitung. Es seien viele Strecken betroffen und teils auf bis zu 25 Kilometer Länge von den Wassermassen unterspült worden.

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Auch an Straßen und Autobahnen seien Schäden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro entstanden, hieß es in dem Bericht unter Berufung auf interne Schätzungen des Ministeriums. In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen müssten Brücken, Gleise, Straßen und Mobilfunkmasten schnellstmöglich wieder instand gesetzt werden.

Dem Bericht zufolge könnten 300 Behelfsbrücken des Bundes in unterschiedlicher Größe bei Bedarf schnell in den Krisenregionen aufgebaut werden. Auch die Bahn will demnach eigene Behelfsbrücken einsetzen, damit die Züge wieder fahren können.

Seehofer nimmt Katastrophenschutz in Schutz

Während die Rettungsarbeiten noch laufen, ist eine politische Debatte über den Zustand des Katastrophenschutzes in Deutschland entbrannt.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat Kritik am Warnsystem des Katastrophenschutzes im Zusammenhang mit dem Hochwasser zurückgewiesen.

Die Dinge in Deutschland hätten gut funktioniert, sagte Seehofer am Montag beim Besuch der stark betroffenen Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler im Norden von Rheinland-Pfalz. »Ich schließe nicht aus, dass wir das ein oder andere verbessern müssen.« Aber die Warnmeldungen hätten »ohne jedes technische Problem vom Deutschen Wetterdienst und vom europäischen funktioniert«, sagte Seehofer.

Für den Katastrophenschutz in Friedenszeiten sei nicht der Bund zuständig, sondern die Länder und die Landkreise. Seit einigen Monaten sei man aber dabei, die Unterstützungsleistungsleistungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für die Länder zu verbessern. »Und zwar gilt das für alle Bereiche«, sagte der Minister.

BBK-Chef verteidigt das Warnsystem

BBK-Präsident Armin Schuster sagte, das Bundesamt halte »ein ausgeklügeltes Warnsystem bereit für unsere eigene Zuständigkeit: den Verteidigungsfall«. Solange dieser nicht vorliege, löse der Bund über das System nicht selbst aus, sondern biete es Ländern und Kommunen an, wenn sie warnen wollen. Das sei vergangene Woche »der klassische Fall« gewesen. »Ich kann Ihnen sagen: Unser Warnsystem hat funktioniert in jedem einzelnen Fall.«

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Die Schäden der Flut

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Fabian Strauch / dpa

Der Deutsche Wetterdienst, die Hochwasserzentrale und die Kreisbehörden hätten intensiv davon Gebrauch gemacht. 150 Warnmeldungen seien über das System geschickt worden – an Fernseh- und Rundfunkanstalten, an die Warn-Apps.

»Worauf ich keinen Einfluss habe, ist, wie vor Ort mit diesen Warnungen umgegangen wird. Dieses Durchgriffsrecht hat eine Bundesbehörde nicht im Katastrophenfall. Es führen die Länder, und das ist, glaube ich, auch gut so. Und es führen die Landkreise. Auch das ist richtig«, sagte Schuster.

jok/AFP
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