Gefährlicher Darmkeim Bislang kein Ehec-Befund in Lübecker Restaurant

Ehec-Bakterien im Labor: Wie breitet sich der Erreger aus?
Foto: Bodo Marks/ dpaHamburg/Berlin - Mit Hochdruck fahnden die Experten nach der Ehec-Quelle. Zuletzt führte die Spur führt nach Lübeck, in das Traditionslokal "Kartoffelkeller" in der Altstadt: Der Betreiber, Joachim Berger, bestätigte das dem ZDF und dem "Hamburger Abendblatt". Den Berichten zufolge ist dort im Mai sowohl eine Gewerkschaftergruppe zu Gast gewesen als auch eine dänische Reisegruppe. Außerdem habe es eine Familienfeier gegeben. Serviert worden seien Steaks und Salat.
In allen Gruppen hat es anschließend Erkrankungen gegeben. Wie der Deutsche Beamtenbund dem ZDF bestätigte, ist eine 47-jährige Kollegin inzwischen gestorben. Zwei weitere schwebten in Lebensgefahr.
Wie Gaststätten-Besitzer Berger dem ZDF sagte, erfuhr er am vergangenen Dienstag durch einen Besuch von Mitarbeitern des Gewerbeaufsichtsamtes von dem Ehec-Verdacht. Er schließe nicht aus, dass eine Charge seines Lieferanten mit Ehec-Keimen belastet sein könnte. Er bezieht die Waren für den "Kartoffelkeller" und zwei weitere Lübecker Lokale den Angaben zufolge von einem Zwischenhändler aus Mölln, der wiederum von einem Großhändler aus Hamburg beliefert wird.
"Wir sind als Restaurant selbst Endverbraucher und von unseren Lieferanten abhängig", sagte Küchenchef Frank Michel der dpa. Er betonte, die Belegschaft werde mit demselben Essen wie die Gäste versorgt, und niemand sei erkrankt.
Bei einer Untersuchung in seinem Lokal hätten die Behörden nichts gefunden, sagte auch Berger dem ZDF. Von allen seinen Mitarbeitern seien außerdem Stuhlproben genommen worden. Er glaubt nicht, dass sich die Essensgäsre zwangsläufig im "Kartoffelkeller" infiziert haben müssen. "Die waren alle drei, vier Tage in Lübeck und haben somit nicht nur bei uns gegessen", betonte Berger.
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein relativierte ihrerseits Berichte, wonach das Restaurant Hinweise auf die Ehec-Quelle liefern könnte. "Wir haben keine heiße Spur", schränkte das Kieler Landwirtschaftsministerium am Samstag ein. Untersuchungsergebnisse lägen bislang nicht vor. Es werde derzeit "verschiedenen Anhaltspunkten in verschiedenen Bundesländern" nachgegangen.
Auf die Testergebnisse aus dem Lübecker Lokal warten auch EU-Experten, teilte die EU-Kommission am Samstag in Brüssel mit. EU-Kommissar John Dalli bot an, Experten nach Deutschland zu schicken. Sie könnten "den kompetenten deutschen Behörden" bei der Suche nach dem Ursprung der Infektion helfen - "Ergebnisse überprüfen und zu den fortlaufenden Untersuchungen beitragen, um die Identifizierung der Quelle zu beschleunigen". Dalli stehe seit Tagen in Kontakt mit den deutschen Ministern für Landwirtschaft und Gesundheit.
Charité-Chef kritisiert Krisenmanagement
Der Ärztliche Direktor der Berliner Charité, Ulrich Frei, beanstandete das Krisenmanagement der Gesundheitsbehörden im "Tagesspiegel". Es mache ihn "unruhig", dass es immer noch keinen Hinweis auf die Erregerquelle gebe. Er bemängelte die Arbeit des Robert-Koch-Instituts: Es sei nicht erkennbar, woran das RKI arbeite.

Ehec-Ausbruch: Kein Ende der Epidemie in Sicht
Frei sagte den Angaben zufolge, die Charité habe erst in dieser Woche Fragebögen für die Ehec-Patienten bekommen. "Das reicht nicht. Man hätte die Patienten interviewen sollen", wird er zitiert. Nötig sei eine bessere Informationspolitik. Eine RKI-Sprecherin wies im "Tagesspiegel" die Vorwürfe zurück. Man habe nach Ausbruch des Darmkeims zügig reagiert.
In Hamburg, das mit am schwersten vom Ausbruch betroffen ist, sprechen die Behörden weiterhin von einer besorgniserregenden Situation. "Wir verzeichnen weiterhin einen Anstieg der Erkrankungsfälle durch Ehec und Hus", teilte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks am Freitagabend mit. Auch wenn der Zuwachs etwas geringer ausfalle als in den vergangenen Tagen, sei es auf jeden Fall zu früh, um in irgendwelcher Form Entwarnung zu geben.
Auf der Suche nach der Infektionsquelle werden nach Angabe der Hamburger Gesundheitsbehörde Lebensmittel weiterhin breit untersucht, wobei auch der neu entwickelte Schnelltest für den Ausbruchs-Stamm eingesetzt werden solle.
Ehec-Nachweis auch nach Wochen noch möglich
Theoretisch können Forscher den gefährlichen Darmkeim selbst mehrere Wochen nach einer Ehec-Infektion etwa in einem Restaurant noch vor Ort nachweisen. Solange die Umgebung das Wachstum eines Erregers begünstige, sei er nachweisbar, erklärte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure, Martin Müller. Gerade da, wo die Hygiene nicht hundertprozentig gewesen sei, könne man immer noch was finden. Zum Nachweis reichten wenige lebensfähige Mikroben. Diese würden auf einem Nährboden gezüchtet, auf dem sie sich weiter vermehren.
Wichtig sei, dass Gastwirte nachweisen müssten, was sie wann bei wem gekauft haben. "Wenn diese Kette dicht geflochten ist, kann man hier den Erreger hoffentlich finden", sagte Müller. Bislang habe man sich zwar in über 90 Prozent der Fälle auf die Gurke konzentriert, "aber es können auch alle anderen Lebensmittel gewesen sein."
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) fordert die Bürger auch weiterhin zu besonderer Vorsicht auf. Es könne nach wie vor "nicht ausgeschlossen werden, dass die Infektionsquelle noch aktiv ist", sagte Bahr den "Ruhr Nachrichten". Es bleibt daher bei den bisherigen Empfehlungen, vorsorglich auf den Verzehr von rohen Tomaten, Salatgurken und Blattsalaten, die insbesondere in Norddeutschland auf dem Markt sind, zu verzichten.
Nach Angabe des RKI haben sich 1213 Menschen in Deutschland seit Anfang Mai mit Ehec angesteckt, 520 erkrankten am hämolytisch-urämischen Syndrom. 15 Kliniken haben ein gemeinsames Register eingeführt, um die Behandlungen zu dokumentieren und so die Erfolgsraten zu verbessern.