Fälschungsverdacht gegen Studien 176 Medikamente müssen womöglich vom Markt

Webseite der GVK Bio: "Ruhen der Zulassung angeordnet"
Foto: GVK BIOHamburg - Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM ) hat am Freitag mit der sogenannten Suspendierung von Arzneimittelzulassungen begonnen, die auf Grundlage von Studien erteilt wurden, die die indischen Firma GVK Bio durchgeführt hat.
"Wir werden gegenüber betroffenen Pharmaherstellern das Ruhen der Zulassung anordnen", sagte BfArM-Sprecher Maik Pommer zu SPIEGEL ONLINE. Damit dürfen diese Arzneimittel so lange nicht mehr verkauft werden, bis der Hersteller neue, korrekte Studien vorlegen kann. Betroffen sind insgesamt 176 Medikamente von 28 pharmazeutischen Unternehmen. Sie alle hatten mit dem indischen Dienstleister GVK Bio zusammengearbeitet. Konkrete Namen wollte das BfArM nicht nennen. Hinweise auf eine mögliche Gefahr für die Patienten gebe es aber nicht.
Wie das BfArM am Freitag erklärte, seien in Deutschland die Zulassungen von Generika, für die GVK Bio zwischen 2008 und 2014 Studien durchgeführt hat, betroffen. Bei einer Inspektion der Firma GVK hatte die französische Arzneimittelbehörde ANSM zuvor schwere Mängel bei der Studiendurchführung und der Datenvalidität festgestellt, wie mehrere Medien am Freitag berichteten.
176 Medikamente betroffen
Insgesamt prüft das BfArM derzeit im Rahmen eines Anhörungsverfahrens die Zulassungen der fraglichen Medikamente. Erst nach dem Abschluss des Verfahrens kann das BfArM die Gesamtzahl der Suspendierungen und die davon betroffenen Unternehmen nennen.
Insgesamt droht womöglich Hunderten Generika - das sind wirkstoffgleiche Kopien von Originalpräparaten - der Entzug ihrer Zulassung. Sie alle wurden nach Angaben der Europäischen Arzneimittelagentur EMA auf Basis sogenannter Bioäquivalenzstudien des indischen Dienstleisters für markttauglich beurteilt.
Mit Bioäquivalenz-Studien müssen die Hersteller nachweisen, dass ihr Präparat sicher ist und dass Art und Menge der Wirkstoffzusammensetzung dem Original entsprechen. Bioäquivalenz ist dann gegeben, wenn die enthaltenen Bestandteile in vergleichbarer Geschwindigkeit und im vergleichbaren Ausmaß wie das Original-Medikament im menschlichen Körper verfügbar sind.
"Wir fordern die schnellstmögliche Aufklärung. Die Gewährleistung der Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln ist unverzichtbar", sagt Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Die Inspektionen fremdländischer Dienstleister vor Ort durch europäische und nationale Behörden sollten umgehend verstärkt werden.
GVK zeigt sich enttäuscht von Behörden
GVK Bio erklärte auf Anfrage, man habe nach Bekanntwerden der Kritik an den Studien unabhängige Kardiologen um eine Einschätzung gebeten. Diese hätten bestätigt, dass alle wichtigen Untersuchungen ausreichend überwacht und kontrolliert gewesen seien. Die beanstandeten Elektrokardiogramme (EKGs) - also Ergebnisse von Herzuntersuchungen - seien für die Studien nicht relevant gewesen. "Damit wollten wir nur testen, ob die Teilnehmer gesund sind, ehe sie uns verlassen." "Wir sind enttäuscht, dass sich die Behörden trotz der Bereitstellung detaillierter Erklärungen und erneuten Untersuchungen zu diesem Schritt entschlossen haben", sagt GVK-Unternehmenssprecherin Dorothy Paul.
Die indische Firma verfügt über rund 2400 Mitarbeiter. Der Dienstleister unterstützt Pharmakonzerne bei der Abwicklung klinischer Studien, die Voraussetzung für die Zulassung von Medikamenten sind. "Contract Research Organisations" (CROs) nennen sich diese Unternehmen - sie sind längst fester Bestandteil der Arzneimittelforschung. Daher werden diese Firmen mehr oder weniger regelmäßig kontrolliert. In Indien existieren derzeit etwa hundert CROs unterschiedlicher Größe .
Bereits im Mai hatte die französische Arzneimittelbehörde neun Studien von GVK aus den Jahren 2008 bis 2014 genauer unter die Lupe genommen. Die Behörde entdeckte in allen Unterlagen gefälschte Elektrokardiogramme. Dadurch seien Zweifel an der Echtheit der klinischen Daten geweckt worden, heißt es bei der EMA. Die ANSM habe daher entschieden, dass die Studien nicht der Guten Klinischen Praxis (Good Clinical Practice, GCP) entsprechen und nicht Grundlage für Zulassungen sein könnten.