Genanalyse Forscher finden Steuerelement des Alterns

Britische und niederländische Wissenschaftler haben auf einem Chromosom des Menschen einen Abschnitt entdeckt, der eine Schlüsselrolle beim Älterwerden spielt. Nach Berechnungen der Forscher geht es dabei um einen Altersunterschied von 3,6 Jahren.
Senioren (Archivbild): Biochemische Prozesse lassen Menschen älter werden

Senioren (Archivbild): Biochemische Prozesse lassen Menschen älter werden

Foto: Alex Wong/ Getty Images

London - Warum bleiben Menschen nicht für immer jung? Lässt sich das Altern vielleicht verlangsamen oder gar stoppen? Seit Jahrzehnten schon gehen Wissenschaftler diesen Fragen nach. Dank eingehender Untersuchungen biochemischer Prozesse in Zellen wissen Mediziner inzwischen, dass die fadenförmigen Enden von Chromosomen, die sogenannten Telomere, dabei eine Schlüsselrolle spielen. 2009 bekamen Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak für diese Entdeckung den Medizin-Nobelpreis.

Britische und niederländische Forscher haben eine Art Alterungsgen identifiziert: Ein Erbgutbereich auf Chromosom 3 spielt offenbar eine Schlüsselrolle bei der Frage, wie schnell die Körperzellen und damit der Organismus altern. So haben Träger einer bestimmten Variante dieses Bereichs im Schnitt ungewöhnlich kurze Telomere. Diese verkürzen sich bei jeder Zellteilung und bestimmen damit wie eine ablaufende Uhr die Lebenserwartung einer Zelle.

Schon wer von nur einem Elternteil die entsprechende genetische Variante geerbt hat, büßt das Äquivalent von 3,6 Jahren an Telomerlänge ein, wie die Forscher errechnet haben. Es gebe demnach offenbar Menschen, die genetisch darauf programmiert seien, schneller zu altern, fasst es einer der Studienleiter, der bekannte Zwillingsforscher Tim Spector vom Londoner King's College, zusammen. Er und sein Team stellen ihre Arbeit im Fachmagazin " Nature Genetics " vor.

Ein Telomer besteht aus einer langen Reihe von Wiederholungen der immer gleichen Bausteinabfolge. Bei jeder Zellteilung verschwindet quasi aus technischen Gründen ein Stück dieser Struktur, denn die für die DNA-Verdopplung zuständigen Enzyme können nicht beide Stränge der Doppelhelix vollständig kopieren.

Dieser Verlust ist unkritisch, solange das restliche Telomer eine bestimmte Länge nicht unterschreitet. Sobald die kritische Schwelle jedoch erreicht ist, ist die Gefahr groß, dass bei der nächsten Teilung essentielle genetische Information verloren geht. Die Folge: Die Zelle altert und stirbt ab. Aus diesem Grund stehen die Telomere für Alterungsforscher auf der Liste der Verdächtigen ganz oben.

Variante könnte biologische Alter ihres Trägers erhöhen

Auch Spector und seine Kollegen hatten in ihrer Studie die Telomerlänge im Visier. Ihre Idee: Wenn man im Erbgut einer großen Gruppe von Menschen nach genetischen Besonderheiten sucht, die nur bei denen mit ungewöhnlich kurzen Telomeren vorkommen, sollten sich die für das Altern zuständigen Erbgutabschnitte entlarven lassen.

Sie suchten daher in den Daten von knapp 3000 Menschen nach einem solchen Zusammenhang und identifizierten vier erfolgversprechende Genvarianten. Deren Verbindung mit der Telomerlänge überprüften sie anschließend anhand von weiteren 9000 Datensätzen. Am Ende blieb eine Region auf Chromosom 3 übrig, die ganz klar mit der Telomerlänge assoziiert war.

Der Bereich ist laut den Forschern auch deswegen ein derartig heißer Kandidat, weil er in der Nachbarschaft eines Gens liegt, das ebenfalls die Telomerlänge beeinflusst: Es trägt einen Teil des Bauplans für das Enzym Telomerase, das in bestimmten Zelltypen wie etwa Stamm- oder Keimzellen dafür sorgt, dass die Telomere immer wieder verlängert werden. Die neu entdeckte Variante scheint also tatsächlich das biologische Alter ihres Trägers zu erhöhen.

Für den Betroffenen könnte dies entweder bedeuten, dass seine Organe älter und damit auch anfälliger für altersbedingte Erkrankungen sind, als sie es rein chronologisch wären. Alternativ könnte es jedoch auch die Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen erhöhen, die das Altern fördern, wie etwa Zigarettenrauch oder UV-Strahlung. Die Forscher hoffen nun, Möglichkeiten zu finden, um diesen Effekt gezielt zu unterdrücken und so das beschleunigte Altern aufzuhalten.

Eine Möglichkeit dafür ist offenbar Sport, wie Forscher schon im Jahr 2008 gezeigt haben. Körperliche Aktivität beeinflusst demnach die Chromosomen-Enden. Diese sind allerdings nicht der einzige Ansatzpunkt der Anti-Aging-Forschung. Auch mit extrazellulären Mechanismen und Veränderungen der Mitochondrien wird das Altern erklärt. Mitochondrien, die Zellkraftwerke, besitzen nämlich eine eigene DNA, die im Alter mutiert.

hda/ddp

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