Manipulierte Pharmastudien in Indien EU-Behörde will Hunderten Arzneimitteln die Zulassung entziehen lassen

Hunderte Medikamente sollen vom Markt genommen werden, empfiehlt die Europäische Arzneimittelbehörde. Die Zulassung der Arzneien beruht auf möglicherweise manipulierten Tests des indischen Pharma-Dienstleisters GVK Bio.
Arzneimittellager: EMA entzieht Hunderten Generika die Zulassung

Arzneimittellager: EMA entzieht Hunderten Generika die Zulassung

Foto: A3913 David Ebener / picture alliance / dpa

Es war eine Inspektion mit weitreichenden Folgen: Im vergangenen Frühjahr waren französische Kontrolleure der Europäischen Arzneimittelbehörde Ema in Indien unterwegs. In Unterlagen der Firma GVK Bio stießen sie auf zahlreiche Fehler. Daten von Elektrokardiogrammen waren manipuliert, Auflagen der Guten Klinischen Praxis (GCP) nicht eingehalten. Die Pharmaexperten entschieden, dass die Tests nicht länger Basis für die Zulassung von Medikamenten sein können.

Am Freitag hat nun die Europäische Arzneimittelbehörde, die als Dachorganisation insgesamt 1250 Arzneimittel begutachtet hatte, die Empfehlung ausgesprochen, Hunderten Medíkamenten die Zulassung zu entziehen, da die Zulassung auf den manipulierten Tests von GVK Bio beruht. Betroffen sind Antiallergika, Bluthochdruckmittel oder Cholesterinsenker. Die endgültige Entscheidung wird nun von der Europäischen Kommission getroffen.

Rund 300 der betroffenen Arzneimittel können auf Basis aktuellerer Zulassungsstudien auf dem Markt verbleiben, diese sind von der Suspendierung ausgenommen. Die gesamte Liste wurde am Freitag auf der Internetseite  der Ema veröffentlicht.

"Den Fälschern, die die Gesundheit der Patienten in Indien und auch in Europa gefährden, muss das Handwerk gelegt werden", sagt Peter Liese, gesundheitspolitische Sprecher der Christdemokraten im EU-Parlament. "Diese Maßnahme werde hoffentlich eine abschreckende Wirkung auf alle anderen Beteiligten haben."

Gegen den Mangel an Transparenz

Zahlreiche Behörden suspendierten im Dezember bereits betroffene Medikamente. Neben Frankreich, Luxemburg, Polen, Belgien und Österreich reagierte auch Deutschland: Das (BFArM) verfügte für 80 Medikamente von 16 Herstellen einen sofortigen Verkaufsstopp.

In Deutschland ist die Liste der suspendierten Medikamente mittlerweile kürzer geworden, da einige Pharmahersteller freiwillig auf den Verkauf verzichten. Andere haben einen Verfahrenstrick angewandt, so dass das Arzneimittel weiter verkauft werden kann. Die Liste der in Deutschland betroffenen Arzneimittel ist hier  abrufbar.

"Die Gesundheit von Patienten ist aber nicht in Gefahr", erklärt Karl Broich, Präsident des Bfarm im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Es handle sich nur um eine Vorsichtsmaßnahme. Hintergrund der Maßnahme ist vor allem, dass viele Pharmaexperten zunehmend darauf drängen , die Abläufe in der Arzneimittelentwicklung besser zu überwachen und transparenter zu machen.

GVK Bio: Kontrolleure stießen auf Fehler in den Daten

GVK Bio: Kontrolleure stießen auf Fehler in den Daten

Foto: GVK BIO

Vom Verkaufsstopp betroffen sind ausschließlich Generika. Das sind Nachahmerprodukte, die denselben Wirkstoff wie das Originalprodukt enthalten, aber von einem anderen Hersteller stammen. Ihre grundlegende Zusammensetzung, Sicherheit und Wirkung sind schon lange klinisch geprüft. Bei der Zulassung von Generika können sich Pharmaunternehmen deshalb auf klinische Tests des Originalpräparats berufen, auch wenn sie diese selbst nicht durchgeführt haben. Hersteller müssen korrekte Studien vorlegen

Durch eigene Tests nachweisen müssen die Generika-Hersteller jedoch die sogenannte Bioäquivalenz. Diese liegt vor, wenn die im Generikum enthaltenen wirksamen Bestandteile in vergleichbarer Geschwindigkeit und in vergleichbarem Ausmaß wie die des Referenzarzneimittels im menschlichen Körper verfügbar sind.

Deutsche Arzneimittelhersteller hatten solche Bioäquivalenzstudien jahrelang bei GVK Bio in Auftrag gegeben, die Ergebnisse gefälscht haben soll. CROs in Indien unterliegen allerdings keiner ordentlichen Kontrolle. Zwar schicken die internationalen Arzneimittelbehörden gelegentlich Inspekteure vorbei - aber das geschieht erschreckend selten: Von der europäischen Arzneimittelagentur wurde 2013 lediglich 21-mal innerhalb und 49-mal außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums kontrolliert; in den Jahren 2000 bis 2012 betraf dabei nur etwa jede zwanzigste Inspektion eine CRO.

PDF-Download

Experten des BFArM waren an vier von 83 dieser Inspektionen beteiligt, Auf nationaler und internationaler Ebene hat das Institut in den vergangenen fünf Jahren zwischen elf und 23 Mal im Jahr Inspektoren ausgesendet, das geht aus einer Kleinen Anfrage der Grünen hervor, die SPIEGEL ONLINE als PDF vorliegt.

GVK Bio weist die Vorwürfe der europäischen Prüfer bis heute zurück. Die beanstandeten Elektrokardiogramme - also Ergebnisse von Herzuntersuchungen - seien für die Studien nicht relevant gewesen. "Damit wollten wir nur testen, ob die Teilnehmer gesund sind, ehe sie uns verlassen", erklärte GVK-Sprecherin Dorothy Paul. "Wir sind enttäuscht, dass sich die Behörden trotz der Bereitstellung detaillierter Erklärungen und erneuten Untersuchungen zu diesem Schritt entschlossen haben."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren