Zweiter Fall weltweit HIV-Patient gilt nach Stammzelltherapie als geheilt

Ein HIV-Patient in Großbritannien ist nach einer Stammzelltherapie wahrscheinlich geheilt. Für die meisten HIV-Patienten kommt das Verfahren nach Angaben von Medizinern aber nicht infrage.
HI-Viren in einer kolorierten Aufnahme eines Elektronenmikroskops (Archivbild): In nunmehr zwei Fällen gelten Aids-Patienten nach einer Stammzelltransplantation als geheilt

HI-Viren in einer kolorierten Aufnahme eines Elektronenmikroskops (Archivbild): In nunmehr zwei Fällen gelten Aids-Patienten nach einer Stammzelltransplantation als geheilt

Foto: Hans R. Gelderblom/ dpa

Der sogenannte "Berliner Patient" war lange Zeit der einzige Mensch, der als geheilt von einer HIV-Infektion galt. Im vergangenen Jahr berichteten Ärzte dann über einen Londoner Patienten, der mit einer speziellen Therapie wohl ebenfalls vom Aids-Erreger befreit wurde. Nun gibt es dazu neue Ergebnisse, die einen weiteren positiven Verlauf zu belegen scheinen.

Auch nach Beendigung der Anti-HIV-Behandlung sei bei dem Mann kein funktionsfähiges HI-Virus mehr nachweisbar gewesen, schreibt ein Team um den Mediziner Ravindra Gupta von der University of Cambridge in der Fachzeitschrift "The Lancet HIV" .

Der Patient, ein 40-jähriger aus Venezuela stammender und seit längerer Zeit in London lebender Mann namens Adam Castillejo, machte gleichzeitig seine Identität in einem Gespräch mit der "New York Times"  erstmals öffentlich. Er habe sich dazu entschieden, um eine Botschaft der Hoffnung zu senden, so Castillejo.

Noch Teile des Erbguts von HI-Viren in untersuchten Proben

Der Patient, der neben der HIV-Infektion auch mit einer Krebserkrankung, dem Hodgkin-Lymphom, zu kämpfen hatte, erhielt zu dessen Behandlung nicht nur starke Chemotherapien, sondern im Mai 2016 auch eine spezielle Stammzellspende. Mit ihrer Hilfe wurde das Immunsystem des Mannes neu aufgebaut.

Entscheidend dabei: Der Stammzellspender hatte eine seltene Mutation namens Delta 32, die ihn immun gegen das HI-Virus macht. Sie führt dazu, dass die Zellen keinen CCR5-Rezeptor bilden, den die meisten HI-Viren benötigen, um an eine Zelle anzudocken, in der sie sich vermehren könnten. Durch die Transplantation verfügt nun auch Castillejo über diese Eigenschaft.

Das Team um Studienleiter Gupta hatte im vergangenen Jahr noch zahlreiche Flüssigkeits- und Gewebeproben des Patienten untersucht. Die Wissenschaftler fanden in einigen Fällen zwar noch Teile des Erbguts von HI-Viren. Sie gehen jedoch davon aus, dass diese nicht zu einem vermehrungsfähigen Virus gehören. Viele andere Daten, etwa die stark zurückgegangene Anzahl HIV-spezifischer Antikörper, wiesen darauf hin, dass das Virus aus dem Körper des Mannes verschwunden sei, schreiben die Forscher.

"Für die Millionen von Infizierten weltweit nicht geeignet"

Bei Castillejo war dasselbe Verfahren angewendet worden wie beim "Berliner Patienten" Timothy Brown, der seit 2011 als geheilt gilt. Auch dieser hatte unter einer Krebserkrankung zusätzlich zur HIV-Infektion gelitten und war mit einer Stammzelltransplantation behandelt worden, bei der der Spender über die Delta-32-Mutation verfügte.

Allerdings hatten Ärzte das Verfahren in den vergangenen Jahren auch bei anderen Patienten angewendet, unter anderem bei einem Mann aus Essen. Dieser hatte aber einen Rückfall der HIV-Erkrankung mit einem mutierten Virusstamm erlitten, nachdem die HIV-Therapie abgesetzt wurde.

Die Entwicklung bei Castillejo sehen die beteiligten Mediziner nun als Hoffnungszeichen: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Erfolg der Stammzelltransplantation als Heilung für HIV, über den erstmals vor neun Jahren beim 'Berliner Patienten' berichtet wurde, wiederholt werden kann", sagt Forscher Gupta. Allerdings stellen seine Kollegen und er auch klar: Die Stammzelltherapie bleibe eine Hochrisikobehandlung, die für die meisten HIV-Patienten nicht infrage komme. Daher dürften Mediziner bei den allermeisten Betroffenen auch in Zukunft auf den klassischen Ansatz setzen, das HI-Virus mit antiretroviralen Medikamenten in Schach zu halten und so den Ausbruch von Aids langfristig zu unterdrücken.

"Wie die Autoren feststellen, ist eine solche Behandlung für die Millionen von Infizierten weltweit nicht geeignet", unterstreicht auch Andrew Freedman, von der Cardiff University, der nicht an der Studie beteiligt war. Diese Patienten müssten "eine langfristige antiretrovirale medikamentöse Therapie fortsetzen, die hochwirksam ist, um Morbidität und Mortalität zu reduzieren und eine Weiterübertragung zu verhindern".

chs/dpa
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