HPV-Impfung Pharmakonzern sponsert positive Bewertung durch US-Fachgesellschaften

Impfung für junge Mädchen: Die Immunisierung gegen Humane Papillomaviren soll vor Gebärmutterhalskrebs schützen
Foto: DDPEs gibt viele Befürworter, aber auch zahlreiche Kritiker der Impfung gegen Humane Papillomaviren (HPV), die Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Die einen halten sie für einen Segen, weil sie Tausenden Frauen das Leben retten und ihnen eine Krebserkrankung ersparen könne. Die anderen befürchten, dass der Nutzen der Impfung geringer ist, als die Firmen versprechen und junge Frauen dadurch sorgloser beim Sex werden könnten. Vor allem die aggressiven Impfkampagnen der Hersteller sind Kritikern ein Dorn im Auge.
Zwei der wichtigsten Studien zu den beiden Impfstoffen Gardasil (von Sanofi Pasteur MSD, mitgegründet von Merck) und Cervarix (von GlaxoSmithKline) wurden von den Pharmafirmen gesponsert. Doch das Engagement der Hersteller geht noch deutlich weiter: Laut einer aktuellen Untersuchung im "Journal of the American Medical Association" (Jama) hat die US-Pharmafirma Merck & Co., Inc. auch mindestens drei US-Fachgesellschaften finanziell unterstützt, die für die Impfung gegen HPV in Vorträgen und bei Fortbildungen geworben haben.
Wie das Autorenteam und Ehepaar Sheila und David Rothman vom Columbia College of Physicians and Surgeons in New York berichtet, handelt es sich bei den Fachgesellschaften um renommierte Vereinigungen: In der American Society for Colposcopy and Cervical Pathology (ASCCP) sitzen Gynäkologen, die bei Frauen den Gebärmutterhals untersuchen und Zellabstriche auf Tumoranzeichen untersuchen. Die Society of Gynecologic Oncologists (SGO) besteht aus Frauenärzten und Geburtshelfern, die Tumoren in den Fortpflanzungsorganen behandeln, und in der American College Health Association (ACHA) sitzen Mediziner, die sich um die Gesundheitsversorgung - also auch um Impfungen - an Universitäten kümmern.
"Reines Meinungsstück" mit falschen Äußerungen
Laut den Recherchen der Rothmans hat etwa die ASCCP mit dem Geld von Merck - nach Angaben der "Washington Post" handelte es sich um 300.000 Dollar (rund 210.000 Euro) - das Programm "Educate the Educators" ("Lehrt die Lehrer") ins Leben gerufen. In diesem Rahmen wurden Ärzte offenbar dazu angehalten, öffentliche Ämter und Regierungsstellen davon zu überzeugen, die Impfung zu bezahlen.
Auch die ACHA erhielt offenbar einen kräftigen Vorschuss - 199.000 Dollar (rund 140.000 Euro). Die Autoren werfen der Fachgesellschaft vor, sie habe E-Mails an Schüler und Studenten verschickt, in den sie diese dazu gedrängt habe, sich impfen zu lassen. Und auch die SGO, von Merck reich beschenkt mit 250.000 Dollar (rund 175.000 Euro), soll Lehrmaterial für Ärzte herausgegeben haben, in dem Warnhinweise zu den Impfungen weggelassen worden seien. Zudem habe es in den Broschüren keine Hinweise darauf gegeben, dass die Verfasser in einem Interessenkonflikt stehen, sprich: für ihre Arbeit von der Industrie gesponsert wurden.
Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE äußerten sich weder die ASCCP noch die ACHA zu den in der Fachzeitschrift erhobenen Vorwürfen. Allein die Gesellschaft der gynäkologischen Onkologen (SGO) formulierte ein offizielles Statement, in dem es heißt: "Unser Informationsmaterial wurde von einer Gruppe von SGO-Mitgliedern verfasst, von denen einige Verbindungen zur Industrie hatten, die das auch angaben, und andere jedoch keinerlei Verbindungen hatten. Es wurde kein spezielles Produkt promotet oder empfohlen."
Die Fachgesellschaft SGO hält im Gegenteil die Publikation in "Jama" für ein "reines Meinungsstück", das falsche Äußerungen beinhalte. Die SGO habe eine klare Regelung, wie mit Interessenkonflikten umgegangen werde und diese sicherten, dass es keine Verzerrung in den Informationsmaterialien gebe - auch nicht in jenen, die der "Jama"-Artikel zerpflückt hat.
Präventionsfähigkeit grandios übertrieben
Merck nahm auf Anfrage der "Washington Post" Stellung zu den erhobenen Vorwürfen: "Wir haben ihnen Zuschüsse zur Verfügung gestellt, die es ihnen erlaubten, eigene und von Merck unabhängige Informationen zu erstellen", sagte Richard Haupt von Merck Laboratories. "Unsere Aktivitäten mit diesen Fachgesellschaften wurden in einer angemessenen und unabhängigen Form vollzogen."
Auch in Deutschland streiten Wissenschaftler immer wieder über den Einfluss der Hersteller auf den Einsatz der HPV-Impfung. Erst kürzlich entbrannte ein heftiger Disput zwischen Nobelpreisträger Harald zur Hausen und dem Ärztekammer-Chef Günther Jonitz, weil zur Hausen sich in einem vom Verband der chemischen Industrie gesponserten Interview ausdrücklich für die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs aussprach.
Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) aus dem Jahr 2007, alle Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren gegen bestimmt HPV-Typen zu immunisieren, hat unter Medizinern zu heftigem Streit geführt, der darin gipfelte, dass 13 Wissenschaftler in einem Manifest kritisierten, die Impfung sei übereilt eingeführt worden, die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt und das Ausmaß der Nebenwirkungen unbekannt. Auch die "New York Times" schrieb, Merck habe sowohl die Krankheitsgefahr als auch die Präventionsfähigkeit des Impfstoffs "grandios übertrieben".