Immunsystem Feintuning der Krankheitsabwehr entschlüsselt

Niesende Frau (Archivbild): Abwehrmaßnahmen perfekt auf Krankheitserreger abgestimmt
Foto: Heiko Wolfraum/ dpaLondon - Ganz unbekannt war das Protein PD-1 nicht. Doch bisher kannten Wissenschaftler das Molekül nur als Unterdrücker von Autoimmunerkrankungen. Es sorgt also dafür, dass das Immunsystem des Menschen nicht irrtümlicherweise körpereigenes Gewebe als Feind bekämpft. Doch nun haben Forscher um Mark Shlomchik von der Yale University in New Haven (US-Bundesstaat Connecticut) eine weitere wichtige Funktion gefunden. PD-1 fördert nämlich auch die Bildung von sogenannten Plasmazellen. Das ist eine extrem spezialisierte Sorte von Zellen, die über lange Zeiträume Antikörper produzieren können.
Antikörper verteidigen den Organismus gegen Infektionen, indem sie sich an Krankheitserreger anheften und sie so unschädlich machen. Diese für unser so wichtigen Proteine werden ausschließlich von sogenannten B-Zellen gebildet, einem wichtigen Zelltyp des Immunsystems. Treffen diese Zellen mit sogenannten T-Helferzellen zusammen, einem weiteren Immunzelltyp, dann sorgen bestimmte Signalstoffe dafür, dass sich einige der B-Zellen zu Plasmazellen weiterentwickeln. Diese wandern ins Knochenmark und produzieren dann Antikörper - und zwar so lange, bis der Erreger beseitigt ist und die Infektion abklingt.
Das von Shlomchik und seinen Kollegen untersuchte Eiweißmolekül PD-1 gibt den B-Zellen anscheinend ein zusätzliches Signal: Es wird ebenfalls von T-Helferzellen gebildet und kann direkt an entsprechende Stellen auf der Oberfläche von B-Zellen andocken. Dadurch fördert PD-1 die Bildung von besonders langlebigen Plasmazellen. Die sind bei der Bekämpfung von chronischen Infektionen unverzichtbar. Bei akuten Infektionen produziert das Immunsystem dagegen weniger PD-1. Dadurch sorgt es für die Bildung von Plasmazellen, die zwar weniger langlebig sind, dafür aber besser für die Mobilisierung einer schnellen Eingreiftruppe.
Die Wechselwirkung zwischen PD-1 und den Andockstellen auf den B-Zellen bestimmt demnach offenbar die Stärke der Immunantwort, berichten die Forscher im Fachmagazin "Nature Immunology". Das Feintuning der B-Zell-Aktivität erlaubt eine größere Bandbreite an möglichen Immunantworten, so dass das Arsenal von Abwehrmaßnahmen perfekt auf jeden Krankheitserreger abgestimmt ist.