Immunsystem Ein Viertel der Gene des Menschen reagiert auf Sommer und Winter

Frühlingspause in Freiburg: Dem Menschen geht es dank Gen besser
Foto: Patrick Seeger/ dpaDas hat sicher jeder schon einmal festgestellt: Bestimmte Krankheiten treten im Winter häufiger auf, in den Sommermonaten bleiben die Menschen eher gesund. Das liegt aber nicht nur am kaltem Winterwetter. Das menschliche Immunsystem passt sich offenbar den Jahreszeiten an, berichten Forscher im Fachjournal "Nature Communications" . Die Aktivität von fast einem Viertel der Gene verändere sich demnach je nach Saison.
Schon länger ist bekannt, dass Herz-Kreislauf- und Autoimmunerkrankungen wie Diabetes Typ 1 und Multiple Sklerose jahreszeitlich variieren, ebenso bestimmte psychische Krankheiten. Auch verändert sich der Vitamin-D-Haushalt des Körpers im Verlauf des Jahres. Die Studie der University of Cambridge legt nun nahe, dass diese Veränderungen mit einem jahreszeitlich variablen Immunsystem zusammenhängen könnten.
Das Team um den Genetiker John Todd hat das gesamte menschliche Genom untersucht. Sie fanden heraus, das 5136 von 22.822 Genen im Sommer oder Winter aktiver sind. Das Genom des Menschen umfasst rund 23.000 Gene. Diese jahreszeitliche Abhängigkeit hat Auswirkungen auf die Zellen, die für die Immunabwehr zuständig sind, sowie auf die Zusammensetzung unseres Blutes und des Fettgewebes.

Gegensätzliches Muster: Je nachdem, ob die Menschen auf der nördlichen oder südlichen Hemisphäre lebten, zeigten sich unterschiedlich aktive Gene
Foto: Castro Dopico et al./ Nature CommunicationsDie Entdeckung wirke zwar auf den ersten Blick offensichtlich, erkläre sie doch, warum sich so viele körperliche und psychische Probleme im Winter verschlimmern, sagt Todd. "Niemand hätte allerdings mit dem Ausmaß gerechnet, mit dem sich das Immunsystem verändert." Die Ergebnisse könnten demnach die Therapien etwa zur Behandlung von Diabetes Typ 1 beeinflussen und sich auf die Planung künftiger Studien auswirken.
Die Forscher hatten Blut- und Fettgewebe-Proben von mehr als 16.000 Menschen aus Großbritannien, den USA, Island, Australien und Gambia untersucht. Mit einer Vielzahl von Methoden analysierten sie die Aktivität ausgewählter Gene in bestimmten Zellen oder Geweben.
Impfprogramme an die Jahreszeit anpassen
Die mehr als 5000 je nach Jahreszeit unterschiedlich aktiven Gene zeigten dabei gegensätzliche Muster - je nachdem, ob sie von Menschen aus der nördlichen oder der südlichen Hemisphäre stammten.
So enthielten etwa die Proben aus Gambia eine besonders hohe Zahl von Immunzellen im Blut, wenn sie in der Regenzeit (Juni bis Oktober) entnommen wurden. Zu dieser Jahreszeit sind Infektionskrankheiten und dabei speziell jene, die durch Moskitos übertragen werden, in dem afrikanischen Land sehr verbreitet.
Besonders interessant für die Forscher war das Gen ARNTL, das - zumindest bei Mäusen - als Reaktion auf Infektionen Entzündungen unterdrückt. Dieses war im Sommer aktiver als im Winter. Wenn ARNTL beim Menschen auf ähnliche Weise wirke, könne eine gezielte Unterstützung dieser genetischen Funktion im Winter dazu beitragen, eine ganze Reihe von Krankheiten effektiver zu behandeln, schließen die Forscher. Sie fanden auch heraus, dass Gene, die für die individuelle Reaktion auf Impfungen verantwortlich sind, im Winter aktiver sind als im Sommer. Demnach wären einige Impfprogramme im Winter effektiver, so die Forscher. Das Immunsystem sei dann bereits vorbereitet und reagiere besser.
Unklar ist noch, wie das Zusammenspiel von Jahreszeit und Immunsystem genau funktioniert. Tageslicht und Umgebungstemperatur könnten entscheidende Faktoren sein, vermuten die Forscher. Für den britischen Immunbiologen Mike Turner ist vor allem eine Erkenntnis bedeutsam: "Ein mögliches Ergebnis ist, dass die Behandlung bestimmter Krankheiten effektiver werden könnte, wenn sie auf die Jahreszeiten abgestimmt wird".