Lauterbach über Affenpocken »Das ist nicht der Beginn einer neuen Pandemie«

Affenpockeninfizierte und ihre Kontaktpersonen sollen sich Minister Lauterbach zufolge für mindestens drei Wochen isolieren. Die Bundesregierung hat außerdem 40.000 Dosen Impfstoff bestellt – für den Notfall.
Gesundheitsminister Lauterbach (r.) mit RKI-Chef Wieler (Archivbild)

Gesundheitsminister Lauterbach (r.) mit RKI-Chef Wieler (Archivbild)

Foto: Jens Schicke / imago images/Jens Schicke

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht nicht davon aus, dass die Affenpocken in Deutschland zu einem großen gesundheitlichen Problem werden könnten. »Was wir mit den Affenpocken gerade erleben, ist nicht der Beginn einer neuen Pandemie«, sagte er auf einer Pressekonferenz beim Deutschen Ärztetag in Bremen. Dennoch müsse man die aktuellen Ausbrüche ernst nehmen.

»Es hat schon sehr häufig Ausbrüche gegeben, und sie können durch Kontaktnachverfolgung und Vorsicht gut eingedämmt werden«, sagte Lauterbach. Man wisse jedoch nicht, warum die Ausbrüche derzeit anders verlaufen als zuvor. Eine Möglichkeit sei, dass der Erreger sich verändert habe, eine andere Möglichkeit sei, dass die Anfälligkeit der Menschen für den Erreger sich verändert habe. »Das alles gilt es jetzt herauszufinden«, sagte Lauterbach.

40.000 Pockenimpfstoffdosen bestellt

Der Minister erklärte, wie das Bundesgesundheitsministerium zusammen mit dem Robert Koch-Institut diesbezüglich nun vorgehen will. »Wenn wir Ausbrüche früh eindämmen, dann haben wir die Möglichkeit, dass sich der Erreger nicht beim Menschen einnistet und endemisch wird«, sagte Lauterbach. Daher werde dazu geraten, dass Infizierte sich für mindestens 21 Tage isolieren sollen. »Mindestens so lange, bis die Krusten abgefallen sind, denn die können noch ansteckend sein«, ergänzte er. Auch Kontaktpersonen werde dringend empfohlen, sich für drei Wochen zu isolieren.

Die Bundesregierung hat außerdem 40.000 Impfdosen bestellt, um sich auf mögliche Ringimpfungen vorzubereiten – also Kontaktpersonen von Affenpockeninfizierten schnell zu impfen. »Ob wir das dann auch tun müssen, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar«, so Lauterbach. Eine Impfung könne sowohl eine Ansteckung verhindern als auch den Ausbruch der Krankheit verhindern oder verzögern.

Mehr als 250 Affenpockenfälle weltweit

Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mehr als 250 Fälle von Affenpocken aus 16 Ländern gemeldet worden. Diese Zahl an bestätigten Infektionen und Verdachtsfällen betreffe jedoch nur Länder, in denen die Viruskrankheit zuvor nicht regelmäßig gehäuft aufgetreten sei, sagte WHO-Expertin Rosamund Lewis. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile fünf bestätigte Fälle.

Die Krankheit trägt den Namen Affenpocken, nachdem der Erreger 1958 erstmals bei Affen in einem dänischen Labor nachgewiesen wurde. Fachleute vermuten, dass das Virus eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen und Menschen gelten als sogenannte Fehlwirte.

Zu den Symptomen der Affenpocken beim Menschen gehören Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und ein Ausschlag, der oft im Gesicht beginnt und dann auf andere Körperteile übergreift. Die meisten Menschen erholen sich innerhalb mehrerer Wochen von der Krankheit, ein tödlicher Verlauf ist selten. Es gibt keine spezifische Therapie und keine Impfung gegen Affenpocken. Historischen Daten zufolge schützt aber eine Pockenimpfung gut vor Affenpocken – und das wohl lebenslang. Wie das RKI erläutert, haben weite Teile der Weltbevölkerung allerdings keinen Impfschutz. Das Institut hat inzwischen eine eigene Website  mit Informationen zu den Affenpocken eingerichtet.

Großbritannien empfiehlt Kontaktpersonen drei Wochen Quarantäne

Die britische Gesundheitsbehörde UKHSA empfiehlt für enge Kontaktpersonen von Affenpockeninfizierten ebenfalls eine dreiwöchige Quarantäne. Als hoch wahrscheinlich infiziert gelte, wer entweder im selben Haushalt mit einer erkrankten Person lebe, mit einer solchen Geschlechtsverkehr gehabt oder deren Bettwäsche ohne Schutzkleidung gewechselt habe, hieß es in einer Mitteilung.

Da die Fälle bislang vermehrt bei Männern, die Sex mit Männern haben, aufgetreten sind, warnt die Münchner Aidshilfe vor einer Diskriminierung dieser Community. »Was wir bisher wissen, ist, dass die Krankheit wohl durch Schmier- und Tröpfcheninfektion übertragen wird. Schuldzuweisungen oder Zuschreibungen an eine bestimmte Gruppe sind fehl am Platz«, sagte Geschäftsführer Tobias Oliveira Weismantel einer Mitteilung vom Montag zufolge.

Wichtig sei, nicht in die Falle der Simplifizierung zu tappen, sondern herauszufinden, wie der Übertragungsweg sei. Und Betroffene dürften keine Sorge haben, zum Arzt zu gehen. »Affenpocken gibt es bereits seit längerer Zeit, und nach allem, was wir heute wissen, sind sie behandelbar«, so Oliveira Weismantel.

Auch auf diese Gruppe ging Lauterbach bei der Pressekonferenz ein: »Zum jetzigen Zeitpunkt sind zwar hauptsächlich Männer, die Sex mit Männern gehabt haben, betroffen«, so Lauterbach. Das sei jedoch keine Stigmatisierung, es handle sich lediglich um eine Beschreibung der derzeitigen Risikogruppe. Und die müsse man nun ansprechen.

Ärztinnen und Ärzte warnen indes vor einer »Panikmache«. Zwar raten sie zur erhöhten Aufmerksamkeit, besonders bei auffälligen Hautveränderungen. Grund zur Sorge, dass sich das Virus ähnlich wie das Coronavirus verbreitet, gebe es jedoch nicht. Die Affenpocken seien »weit weniger ansteckend als Corona« und würden fast ausschließlich durch »engen Körperkontakt und Körperflüssigkeiten« übertragen, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Thomas Fischbach.

Massenimpfungen gegen die Affenpocken sind der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge derzeit nicht nötig. Maßnahmen wie Hygiene und präventives Sexualverhalten würden helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, sagte Richard Pebody, Leiter des Teams für Krankheitserreger bei der WHO Europa.

kry
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