
Tote bei klinischen Studien: Pharmafirmen zahlen selten Entschädigungen
Medikamententests in Indien Hunderte Todesfälle bei klinischen Studien
Die Anzahl der Todesfälle bei klinischen Studien sei in den vergangenen Jahren beständig gewachsen, erklärte Indiens Gesundheitsminister Ghulam Nabi Azad im August 2011. Insgesamt 1725 Menschen sollen laut seinem Bericht zwischen 2007 und 2010 während oder nach einer Arzneimittelstudie gestorben sein: 132 Tote seien es 2007 gewesen, 288 im Jahr 2008 und 637 im Jahr 2009. 462 Menschen starben laut Angaben Azads allein im ersten Halbjahr 2010.
Die Todesfälle müssen nichts mit dem getesteten Medikament zu tun haben, oft sterben Probanden an ihren Vorerkrankungen wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Problemen. Offen ist oft auch, wann Pharmakonzerne den Hinterbliebenen eine Entschädigung zahlen.
Laut der Aufstellung soll der weltgrößte Arzneimittelhersteller Pfizer in zwei Fällen Gelder gezahlt haben, während Tests mit dem Bluthochdruckmittel Thelin (Sitaxentan) waren zwei Inder gestorben. Über die Höhe der Entschädigungen gibt Pfizer auch auf mehrfache Nachfrage keine Auskunft. Ein Firmensprecher verweist darauf, dass die Vorgaben der Good Clinical Practice (GCP) selbstverständlich eingehalten worden seien. Und erklärt, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht bedeute, dass mit dem Mittel irgendetwas nicht in Ordnung gewesen wäre. Im Dezember 2010 hat Pfizer Thelin vom Markt genommen.
Sanofi Aventis äußert sich nicht
Sanofi Aventis soll an die Hinterblieben von freiwilligen Medikamenten-Testern in zwei Fällen eine Entschädigung gezahlt haben: einmal 150.000 Rupien (2200 Euro), im anderen Fall 200.000 Rupien (2900 Euro). Der Hersteller äußert sich hierzu nicht. Aparna Thomas, Sprecher aus der indischen Firmenzentrale, verweist stattdessen ebenfalls darauf, dass das Unternehmen sich selbstverständlich an die GCP-Vorgaben halte.
Bei klinischen Tests durch den Pharmakonzern Bayer sollen in Indien innerhalb von vier Jahren 138 Menschen ums Leben gekommen sein. Die kritische Organisation Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) schrieb einen offenen Brief an den Konzern, bat um Aufklärung und forderte die Offenlegung der Studiendaten.
Bayer äußert sich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE nicht, Sprecherin Kerstin Crusius geht auf keine Details ein. Ihre Erklärung kommt bekannt vor: "Die Entwicklung von Arzneimitteln in Indien erfolgt nach den gleichen strengen internationalen wissenschaftlichen und ethischen Grundsätzen wie auch in anderen Ländern. Bei Interesse können Sie die aktuellen internationalen Richtlinien nachlesen."
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