

Berlin - Menschen in Ostdeutschland werden statistisch gesehen häufiger krank als Bürger im Westen, berichtet die Krankenkasse Barmer GEK. Die Kasse hat die regionale Verteilung der 80 am meisten verbreiteten chronischen Krankheiten untersucht - darunter Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes und Depressionen. Dabei zeigen sich klare regionale Trends.
Demnach sind die Menschen im Raum Sachsen, Halle und Schwerin besonders krankheitsanfällig. Am gesündesten sind die Bundesbürger in Baden-Württemberg im Raum Stuttgart und Ulm. Ausgewertet hat die Krankenkasse Daten von 8,4 Millionen Versicherten aus dem Jahr 2009. Das sind zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Daten aus dem Band "Gesundheitswesen aktuell 2011" sind also durchaus repräsentativ.
Ein wichtiger Grund für die beobachteten Unterschiede zwischen Ost und West ist das Alter. Viele junge Ostdeutsche zogen in den vergangenen Jahren in die alten Bundesländer. In Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen ist die Bevölkerung einfach älter. Und: Vor allem Besserverdiener und Gebildete seien gegangen - somit habe sich auch eine "Gesundheitsmigration" vollzogen. Insgesamt zeige sich der große Einfluss von Bildung und Einkommen auf die Gesundheitschancen, sagte Uwe Repschläger, der Herausgeber des vorgestellten Bands.
Barmer-GEK-Vorstandschef Christoph Straub warnte vor einer schlechteren Versorgung gerade in Gebieten mit überdurchschnittlich vielen Kranken. "Es darf nicht sein, dass der Wohnort die Versorgungsqualität bestimmt." Langfristig müsse es das Ziel sein, die regionalen Differenzen in der Versorgung aufzuheben.
Mehr Psychotherapeuten, mehr Depressions-Diagnosen
Bei der Volkskrankheit Depression zeigt die Statistik ein anderes Bild: 2009 wurden in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg am häufigsten seelische Erkrankungen diagnostiziert - und im finanzstarken Freistaat Bayern. "In Bayern gibt es eine Überversorgung mit Psychotherapeuten. Also werden auch mehr seelische Erkrankungen festgestellt", mutmaßt Repschläger gegenüber SPIEGEL ONLINE. Allerdings liegt Zahl der Psychotherapeuten in Bayern nur ganz leicht über dem Bundesdurchschnitt, in den Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg sowie in Hessen ist die Versorgungsdichte dagegen deutlich höher.
Allgemein gilt: mehr Ärzte, mehr diagnostizierte Kranke. Dass das ein Problem ist, wissen auch die Verantwortlichen der Krankenkassen. Man verzeichne im gesamten Bundesgebiet eine Über-, Unter- und Fehlversorgung. Es gebe zu viele Fachärzte in den Großstädten und zu wenig Mediziner in den ländlichen Regionen sowie in den neuen Bundesländern, beklagte die Barmer GEK.
"Die Medizin, die erbracht wird, ist nicht immer die, die gebraucht wird.", sagte Christoph Straub. Im gesamteuropäischen Vergleich zähle Deutschland aber immer noch zu den Spitzenreitern, wenn es um die Gesamtversorgung von Patienten geht.
Ein weiteres Detail des Berichts überrascht: Überdurchschnittlich viele Alkoholiker wohnen an der Küste - in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Die Gründe hierfür sind völlig unbekannt. Repschläger und Straub schlossen einen Zusammenhang zwischen Alkohol und den typischen Küstenberufen wie zum Beispiel Fischer oder Werftarbeiter nicht aus. Eine echte Ursachenforschung haben sie jedoch nicht betrieben.
Beunruhigt zeigten sich die Krankenkassen-Experten auch bei der Entwicklung von Krankenhausinfektionen mit multiresistenten Erregern. Hier habe sich die Zahl deutlich erhöht. Immerhin: Die Zahl der Infizierten, die schwer erkranken, gehe zurück. Viele Infizierte steckten sich zwar an, entwickelten aber keine gefährlichen Symptome.
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Regionale Unterschiede bei der Häufigkeit von Krankheiten: Die Barmer GEK hat ermittelt, wie oft 80 chronische Krankheiten in den verschiedenen Regionen Deutschlands auftreten. Die grau eingefärbten Regionen liegen im Durchschnitt. Hell- und dunkelgrün sind Gebiete, in denen die Krankheiten seltener diagnostiziert werden, blau steht für ein häufigeres Auftreten der 80 Erkrankungen.
Aufschlüsselung pro Bundesland: Die Menschen in Sachsen sind demnach besonders krankheitsanfällig - und die in Baden-Württemberg am gesündesten.
Ärztedichte im Vergleich: Es gebe zu viele Fachärzte in den Großstädten und zu wenig Mediziner in den ländlichen Regionen sowie in den neuen Bundesländern, zeigt der Report.
Angebot an Krankenhausbetten im Vergleich: "Es darf nicht sein, dass der Wohnort die Versorgungsqualität bestimmt", sagte Barmer-GEK-Vorstandschef Christoph Straub bei der Präsentation des Bands "Gesundheitswesen aktuell 2011".
Relative, im Krankenhaus verbrachte Zeit: Eine echte Ursachenforschung für die ermittelten Unterschiede haben die Fachleute nicht betrieben.
Psychotherapeutendichte im Vergleich: Bei den Depressionen sind sämtliche Stadtstaaten am stärksten betroffen - und die Bayern. In den meisten dieser Regionen gibt es auch besonders viele Psychotherapeuten.
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