Experimentelle Krebstherapie Bakterien lassen Tumoren schrumpfen

Die Idee, Bakterien könnten Krebszellen zerstören, war lange in Vergessenheit geraten. Nun ließen Forscher den Therapieansatz wieder aufleben - und erzielten erste Erfolge. Folgetests laufen bereits.
Bakterium in Hundetumor: Auch bei einer menschlichen Krebspatientin wirkte die Therapie

Bakterium in Hundetumor: Auch bei einer menschlichen Krebspatientin wirkte die Therapie

Foto: Johns Hopkins Department of Pathology/ David L. Huso/ Baktiar Karim

Bestimmte Bakterien können Tumoren von innen heraus zerstören. Forscher haben diese potenzielle Möglichkeit der Krebsbekämpfung an Ratten, Hunden und einer Krebspatientin getestet. Die Ergebnisse seien ermutigend, auch wenn noch weitere Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit des Verfahrens nötig seien, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin "Science Translational Medicine" .

Erste Versuche, Krebs mit Hilfe von Bakterien zu bekämpfen, gab es bereits vor mehr als 100 Jahren. Ein Arzt hatte in den 1890er Jahren beobachtet, dass einige seiner Krebspatienten sich erholten oder gar völlig gesund wurden, wenn sie nach einer Krebsoperation eine Infektion bekamen. Seine darauffolgenden Versuche, eine auf diesen Beobachtungen basierende Behandlung zu entwickeln, waren jedoch wenig erfolgreich, so dass die Methode bis heute nicht weiter intensiv erforscht wurde.

Das Team um Nicholas Roberts vom Johns Hopkins Sidney Kimmel Comprehensive Cancer Center in Baltimore, im US-Staat Maryland, griff die Idee nun wieder auf. Sie nutzten Clostridium novyi-Bakterien. Diese sind anaerob, das heißt, sie vermehren sich nur unter sauerstoffarmen Bedingungen - wie etwa im Zentrum von Tumoren.

Therapie für krebskranke Hunde

Zunächst veränderten die Forscher die Bakterien gentechnisch so, dass sie einen bestimmten Giftstoff nicht bilden. Dann testeten sie die Bakterien-Therapie an Ratten. Sie injizierten Sporen - ein bakterielles Entwicklungsstadium, in dem die Bakterien sich nicht teilen - direkt in zuvor gezielt hervorgerufene Hirntumoren der Tiere. Dort verwandelten sich die Sporen wieder in teilungsfähige Bakterien und ließen den Tumor von innen heraus schrumpfen. Gesunde Zellen, die nur wenige Mikrometer von den Tumorzellen entfernt lagen, blieben unberührt.

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Als nächstes testeten die Forscher ihr Verfahren an Hunden, und zwar nicht an Versuchstieren, sondern an solchen, die als Haustiere gehalten wurden und an Krebs erkrankt waren. Tumoren von Hunden ähneln menschlichen Tumoren, erläutern die Forscher. Bei sechs von 16 Hunden zeigte die Therapie innerhalb von drei Wochen Wirkung: Bei drei Tieren verschwanden die Tumoren ganz, bei drei weiteren schrumpften sie mindestens um ein Drittel. Die meisten Hunde reagierten auf die Behandlung wie auf eine typische bakterielle Infektion mit Fieber und Entzündungsreaktionen.

Schließlich wagten sich die Wissenschaftler mit ihrem Verfahren an einen Menschen. Die Frau litt an einem bösartigen Tumor der Muskulatur, der sich trotz mehrerer Operationen und zahlreicher Runden Chemo- und Strahlentherapie immer weiter ausbreitete. Die Forscher injizierten die Bakteriensporen in eine Metastase an der Schulter. Auch die Frau bekam Fieber und eine starke Entzündung und der Tumor schrumpfte erheblich.

Wirkmechanismus unklar

Die Studie werde derzeit weitergeführt, weitere Krebspatienten würden behandelt. "Wir erwarten, dass einige Patienten stärker auf die Behandlung reagieren als andere - aber das gilt für andere Therapien auch", erläutert Studienleiter Shibin Zhou. "Wir wollen jetzt erst mal herausfinden, wie gut die Patienten die Therapie vertragen."

Wie die Bakterien den Tumor zerstören, ist nicht ganz klar. Vermutlich töten sie die Krebszellen direkt ab und rufen zudem eine Abwehrreaktion des Immunsystems gegen den Tumor hervor, vermuten die Wissenschaftler.

Denkbar sei, die "Bio-OP" künftig mit anderen Therapien zu kombinieren. Die Bakterien-Therapie habe den Vorteil, dass sie vor allem im sauerstoffarmen Zentrum des Tumors wirksam sei. Chemotherapeutika werden über die Blutgefäße im Körper verteilt - gelangen meist aber nicht ins Innere der Tumoren, was die Wirksamkeit solcher Therapien einschränkt. Ähnliches gilt für Strahlentherapien, da auch dabei Sauerstoff zur Zerstörung der Tumoren benötigt wird.

jme/dpa
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