RKI-Chef Lothar Wieler »Wir sehen aktuell deutliche Signale einer Trendumkehr«

Lothar Wieler und Jens Spahn am 19. Februar bei der Bundespressekonferenz
Foto: Filip Singer / Getty ImagesDie Impfkampagne zeigt laut Gesundheitsminister Jens Spahn erste Erfolge. »Das Risiko, an Corona zu erkranken, hat sich für unsere Höchstbetagten deutlich reduziert«, sagte er am Freitag in der Bundespressekonferenz. In manchen Bundesländern sei bereits die Mehrheit der über 80-Jährigen geimpft.
Allerdings sei absehbar, dass die Länder bei der Verabreichung des bestellten Impfstoffs an ihre Kapazitätsgrenzen kommen. »Noch liegt zu viel Impfstoff im Kühlschrank, auch das muss an Fahrt gewinnen«, so Spahn. Die Bundesregierung arbeite an einer Regelung, die es allen Ärzten erlaube, die Corona-Impfung in ihren Praxen zu verabreichen. Dazu liefen Gespräche mit Großhändlern, Ärzten und Apotheken, etwa über Logistik und die Vergütung, sagte Spahn. Noch finden die Impfungen in erster Linie durch mobile Impfteams, etwa vor Ort in Altersheimen, oder in Impfzentren statt.
Spahn zufolge werden bis Ende kommender Woche rund elf Millionen Impfdosen an die Länder ausgeliefert worden sein. Bis jetzt seien rund 5,7 Millionen Impfungen verabreicht worden.
»B.1.1.7 breitet sich rasch aus«
Auch der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, sieht erste Effekte, die wahrscheinlich auf die Impfungen zurückzuführen sind. »Die Fallzahlen in der Gruppe der über 80-Jährigen nimmt ab«, sagte er. Gleichzeitig warnte er jedoch angesichts der aktuellen Lage. »Wir sehen leider seit einigen Tagen, dass die Fallzahlen insgesamt nicht weiter zurückgehen, sie stagnieren«, sagte er.
Vor allem bei jüngeren Menschen steige die Inzidenz. Es sei davon auszugehen, dass dabei die besorgniserregenden Varianten eine wichtige Rolle spielten. »B.1.1.7 breitet sich rasch aus, ist deutlich ansteckender und gefährlicher – und zwar für alle Altersgruppen«, so Wieler. »Wir sehen aktuell deutliche Signale einer Trendumkehr. Deshalb ist wichtig, dass wir jetzt die Maßnahmen umsetzen. Ansonsten steuern wir in eine weitere, dritte Welle.«
Wieler appellierte an die Bevölkerung, schon bei ersten Symptomen zu Hause zu bleiben, eine Arztpraxis anzurufen und um einen PCR-Test zu bitten. »Wir alle wollen unseren Alltag zurück«, sagte Wieler. »Das erreichen wir nur, wenn wir die Fallzahlen dauerhaft senken.«
Angesichts der Situation warnten Spahn und Wieler vor zu großen Hoffnungen auf Lockerungen bei den Bund-Länder-Gesprächen kommenden Mittwoch. Zwar gebe es »ein Bedürfnis« nach Schritten aus dem Lockdown, sagte Spahn. Dabei müsse aber »behutsam« vorgegangen werden – und es bedürfe einer umfassenden Strategie: »Vorsicht, Impfen, Testen sind drei wichtige Bestandteile für unseren Weg.«
Zuletzt: knapp 10.000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem RKI zuletzt knapp 10.000 Neuninfektionen innerhalb eines Tages gemeldet. Außerdem wurden innerhalb von 24 Stunden 394 weitere Todesfälle dokumentiert. Vor genau einer Woche lag die Zahl der Neuinfektionen noch bei 9113, Todesfälle wurden zu diesem Zeitpunkt 508 gemeldet.
Die Zahlen sprechen dafür, dass sich das Infektionsgeschehen in Deutschland nach einem mehrere Wochen dauernden Abwärtstrend stabilisiert. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI am Freitagmorgen bundesweit bei 62,6 – und damit minimal höher als am Vortag (61,7). Vor vier Wochen, am 29. Januar, erreichte die Sieben-Tage-Inzidenz jedoch deutschlandweit noch den Wert von 94,4. Der bisherige Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 dokumentiert worden.