Covid-19 Männer mit Abwehrschwäche

Männer erkranken häufiger schwer an Covid-19 als Frauen - warum?
Foto: Mareen Fischinger / Westend61 / imago imagesSchon im März wiesen die ersten Daten aus China darauf hin, dass das Coronavirus Männern besonders gefährlich werden kann. Zwar erkrankten etwa gleich viele Männer und Frauen an Covid-19. Die Frauen überlebten jedoch viel häufiger. Diese Beobachtung hat sich in den vergangenen Monaten in vielen Ländern rund um den Globus bestätigt - auch in Deutschland.
Kommen Männer hierzulande mit Covid-19 in eine Klinik, haben sie ein fast doppelt so hohes Risiko wie Frauen, künstlich beatmet zu werden. Noch wissen Mediziner nicht im Detail, wie sich die Unterschiede erklären lassen. Wahrscheinlich ist jedoch, dass das Immunsystem dabei eine bedeutende Rolle spielt. US-Forscher haben jetzt ergründet, in welchen Punkten sich die Abwehr von Männern und Frauen kurz nach der Infektion unterscheidet.
Männer: Weniger schützende Zellen, mehr Alarm
Für ihre Untersuchung analysierten die Wissenschaftler Proben von knapp hundert Covid-19-Patienten, die im Yale New Haven Hospital behandelt wurden. Den Ergebnissen zufolge produzieren Frauen selbst im hohen Alter mehr auf Sars-CoV-2 spezialisierte T-Zellen als Männer. Dabei handelt es sich um weiße Blutkörperchen, die unter anderem infizierte Zellen im Körper erkennen und abtöten können. Im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 könnten sie außerdem eine wichtige Rolle spielen bei einer lang anhaltenden Immunität.
Reagierten die T-Zellen der Männer schwächer, hatten diese im Schnitt auch einen schwereren Krankheitsverlauf, berichten die Forscher um Akiko Iwasaki von der Yale School of Medicine in der Fachzeitschrift "Nature" . Bei Frauen hingegen war dies nicht der Fall. Auch schwächte sich die Reaktion der T-Zellen bei Männern mit steigendem Alter ab, nicht aber bei den Frauen.
In einem weiteren Schritt verglichen die Mediziner das Aufkommen von Immunzellen und Botenstoffen bei Covid-19-Patienten mit gesunden Kontrollpersonen. Demnach reagiert der Körper auf das Coronavirus, indem er verstärkt Botenstoffe produziert, die Immunzellen stimulieren. Dies birgt jedoch auch das Risiko, dass das Immunsystem überreagiert und es zu schweren, mitunter sogar lebensbedrohlichen Entzündungen kommt.
Bei Männern waren die Level mancher dieser Botenstoffe stärker erhöht als bei Frauen. Allerdings schien der Körper der Männer auch weniger empfindlich darauf zu reagieren. Während die wenigen betroffenen Frauen mit höheren Werten im Schnitt schwerer erkrankten, war dies bei den viel häufiger betroffenen Männern nicht der Fall.
Geschlechtsunterschiede auch bei Allergien und Autoimmunerkrankungen
Forscher beobachten häufig, dass das Immunsystem von Männern und Frauen bei Krankheiten unterschiedlich reagiert. Dass es auch bei der Reaktion auf Sars-CoV-2 Unterschiede zwischen den Geschlechtern gebe, sei deshalb kein unerwartetes Ergebnis, sagte Eleanor Riley, Professor für Immunologie und Infektionskrankheiten an der University of Edinburgh dem britischen "Science Media Center" . "Es ist auch wahrscheinlich, dass diese Unterschiede den individuellen Krankheitsverlauf beeinflussen können."
Bei der aktuellen Studie sieht Riley jedoch einige Schwachpunkte. Ein Problem ist, dass die Ergebnisse nur auf Beobachtungen basieren. Zwar konnten die Forscher zeigen, dass die T-Zellen bei Männern häufiger schwächer reagierten und diese dann auch schwerer erkrankten. Ob jedoch tatsächlich das Geschlecht Ursache für die schwächere Reaktion der T-Zellen war, konnten sie damit nicht nachweisen.
Bei den Botenstoffen zeigten sich außerdem bei vielen gemessenen Werten überhaupt keine Geschlechterunterschiede. Gab es diese, ließen sie sich möglicherweise auch mit Unterschieden beim Alter oder Body-Mass-Index erklären, sagte Riley. "Das macht es schwierig, Therapien nur auf das Geschlecht zuzuschneiden und spricht eher dafür, dass es einen noch stärker individualisierten Ansatz braucht."
Die Forscher der aktuellen "Nature"-Studie hingegen kommen zu einem anderen Schluss. "Wir haben jetzt klare Daten, die darauf hindeuten, dass sich die Immunlandschaft bei Covid-19-Patienten zwischen den Geschlechtern erheblich unterscheidet", sagt Autorin Iwasaki in einer Mitteilung . Diese Unterschiede könnten der Grund dafür sein, dass Männer empfindlicher auf das Coronavirus reagierten als Frauen.
Für die Wissenschaftler bietet ihre Untersuchung die Basis für weitere Analysen, die ergründen, wie sich die Therapie von Covid-19 in Zukunft auf das Geschlecht zuschneiden lässt. Männer könnten möglicherweise stärker von Therapien und Impfungen profitieren, die eine T-Zellantwort verstärken, schreiben die Forscher in ihrem Fazit. Frauen hingegen von Therapien, die die Bildung von zu vielen Immunbotenstoffen verhindern.