Umstrittene Stammzellstudie Manipuliert und gefälscht?

Haruko Obokata: Laut Studie hat ihr Team Zellen mit Säure in den Embryonalzustand zurückversetzt
Foto: REUTERS/ KyodoTokio - Wissenschaftler sprachen schon von einer neuen Ära der Stammzellbiologie. Forscher hatten berichtet, Zellen auf denkbar einfache Weise verjüngt zu haben. Doch die Studie hat Mängel. Nun beschuldigt das Riken-Institut im japanischen Kobe seine eigene Forschungsleiterin, sie habe in der Arbeit stellenweise manipuliert und gefälscht. Dieses Ergebnis einer internen Untersuchung gab das Institut bekannt. Die Forscherin wies die Anschuldigungen über ihren Anwalt energisch zurück.
Ausgelöst hatten die internen Untersuchungen Zweifel an einigen Darstellungen und Formulierungen in dem Papier, das Ende Januar im britischen Fachblatt "Nature" erschienen war. Darin hatten Wissenschaftler aus Japan und den USA berichtet, dass sie unter anderem mit Zitronensäure Körperzellen neugeborener Mäuse in eine Art embryonalen Zustand zurückversetzt hatten. Diese sogenannten STAP-Zellen könnten sich wieder in nahezu jeden Zelltyp entwickeln, berichtete das Team um Haruko Obokata damals.
Simple Fehler oder Manipulation?
Nun gab das staatlich geförderte Riken-Institut bekannt, dass Aufnahmen in der Studie solchen aus Obokatas Doktorarbeit aus dem Jahr 2011 ähnelten. Dass diese "extrem wichtigen Daten" in dem Bericht in "Nature" verwendet worden seien, habe die Glaubwürdigkeit der Daten "zerstört". Obokata habe zudem Daten manipuliert, indem sie eine Darstellung ausgeschnitten und kopiert habe. Die Forscherin sei sich über die Risiken im Klaren gewesen.
Obokata wies die Anschuldigungen umgehend zurück. Es handele sich um einen "simplen Fehler". Sie habe keine böse Absicht gehabt und keinen Betrug begehen wollen. Sie könne es "niemals akzeptieren", dass die Unregelmäßigkeiten als "Manipulation und Fälschung" eingestuft werden.
Drei Mitautoren sollen keine Fälschung betrieben haben. Zwei von ihnen, der Vize-Leiter des Riken-Zentrums, Yoshiki Sasai, sowie Teruhiko Wakayama von der Universität Yamanashi, trügen jedoch die "schwere" Verantwortung, den Inhalt des Papiers nicht verifiziert zu haben. Ein Regierungssprecher nannte die Vorgänge "extrem bedauerlich" und forderte das Institut auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit sich ein solcher Fall nicht wiederhole.
Streit um Rücknahme der Studie
Ob STAP-Zellen tatsächlich existieren, dazu wollte sich das Riken-Institut noch nicht äußern. Es seien weitere Studien nötig. Das Institut plant, die STAP-Zellenergebnisse innerhalb eines Jahres zu überprüfen. Dabei sollen Labortests wiederholt werden. Ob Obokata und ihre Mitautoren das Papier zurückziehen, bleibt unklar.
Mitautor Wakayama hatte es als ratsam bezeichnet, den Forschungsbericht "zurückzuziehen und erneut einzureichen, nachdem sichergestellt ist, dass die Daten alle korrekt sind". Ein anderer Co-Autor, Charles Vacanti von der Harvard Medical School, hatte seinem Kollegen in der Zeitung "Wall Street Journal" widersprochen. Die gemachten Fehler beeinträchtigten wohl nicht die Ergebnisse, sagte er damals.
Weder das Riken-Institut noch einzelne Forscher können die Studie jedoch allein zurückziehen. Der Chef der Abteilung für Entwicklungsbiologie am Riken-Zentrum, Masatoshi Takeichi, räumte bereits Mitte März ein, dass ein solcher Schritt vom "Nature"-Magazin unter Zustimmung aller Mitautoren vollzogen werden müsse. Die Studie sollte seiner Meinung nach jedoch zurückgezogen und die Forschungsarbeit wiederholt werden. Sollte "Nature" die Studie zurücknehmen, gilt sie nicht mehr als anerkannte Forschungsarbeit - und kann nicht als Grundlage für weitere Untersuchungen genutzt werden.
Die Rückprogrammierung von Körperzellen in einen Zustand, in dem sie sich wie embryonale Stammzellen zu vielen verschiedenen Gewebetypen entwickeln können, war zuvor nur mit Hilfe von zugefügten Proteinen oder Genen gelungen. Das Verfahren, solche Zellen durch simplen Säurestress zu erzeugen, eröffne ganz neue Möglichkeiten, um eines Tages patienteneigene Stammzellen zu erzeugen, hatte Austin Smith von der Universität Cambridge in einem Begleitkommentar von "Nature" geschrieben. Auf der Stammzellenforschung ruhen große Hoffnungen im Kampf gegen Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und andere oft tödliche Leiden.