Illegale Arznei MMS Wirkt der Stopp des gefährlichen "Heilmittels"?

Shop für MMS-Produkte: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte warnt vor schweren Schäden
Foto: Oliver Berg/ dpaHamburg - Dieses "Wunder" ist gefährlich: Seit Monaten wird ein vermeintliches Heilmittel über das Internet beworben und über dubiose Online-Shops verkauft: "Miracle Mineral Supplement", kurz MMS. Es wurde erfunden von Jim Humble. Der frühere Scientologe erklärt, sein Mittel helfe gegen allerhand Leiden gleichzeitig - Alzheimer, Krebs, MS, Autismus.
Nicht nur Behörden in Amerika, Kanada und Frankreich warnen vor MMS. Unerwünschte Wirkungen des Mittels sind Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall, Verätzungen der Speiseröhre sowie Atemstörungen wegen Schäden an roten Blutkörperchen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat vor Kurzem zwei MMS-Präparate als zulassungspflichtige und bedenkliche Arzneimittel eingestuft - damit ist der Verkauf ab sofort illegal. Trotzdem geht der Verkauf von MMS-Präparaten im Netz weiter. Auch eine Esoterikmesse, die im April in Kassel stattfinden soll, und auf der laut Programm für MMS geworben wird, darf stattfinden.
Warum wird der Verkauf von MMS nicht gestoppt?
Die Entscheidung des Bundesinstituts bezieht sich nur auf den konkreten Fall der Firma Luxusline Ltd. Wegen anderer Onlineshops sind nun die Gesundheitsämter in den Ländern gefragt, je nachdem, in welchem Bundesland der Anbieter seinen Sitz hat. Zudem sind viele Shop-Domains gar nicht in Deutschland registriert. Die MMS-Händler haben auch auf die BfArM-Entscheidung reagiert und vermeiden nun Heilsversprechen auf ihren Internetseiten.
Die Behörden haben aber auch noch ein anderes Problem, wie Nicole Ohly-Müller vom Regierungspräsidium Darmstadt berichtet. Der Nachweis, dass Natriumchlorit, aus dem MMS besteht, als Arzneimittel verkauft werde, sei nicht leicht zu führen. Die Chemikalie sei für viele Zwecke frei im Handel, etwa als Desinfektionsmittel oder als Entkalker.
Ein Verkauf als Arzneimittel sei meist nicht beweisbar. Doch nur dann handle es sich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel und die Behörde habe die Möglichkeit, die Anwendung, das "in Verkehr bringen" oder Herstellen zu untersagen. Die Gesundheitsbehörde setzt daher nun auf Prävention und Aufklärung von Ärzten und Heilpraktikern.

Jim Humble wirbt weiter für sein MMS (Screenshot 24. März 2015)
Foto: mmsverlag.comWas wird nun aus der Esoterikmesse in Kassel?
Nachdem die Stadt Kassel wohl zu spät bemerkt hatte, dass sie in ihrem Kongress Palais mit dem "Spirit of Health"-Kongress dubiosen Wunderheilern Raum gibt, hoffte man, die Zusage zurück ziehen zu können. Doch das geht auch nach dem jüngsten BfArM-Entscheid nicht. Für Kassel ergeben sich keine neuen rechtlichen Ansatzpunkte, sagt der Pressesprecher der Stadt, Ingo Happel-Emrich. Man werde den Veranstalter darauf hinweisen, die geltenden gesetzlichen Vorschriften einzuhalten.
Dass Aufklärung in Kassel durchaus wirkt, beweist Jürgen Waindok. Der Direktor des Best Western Plus Hotels, das zusätzlicher Tagungsort des "Spirit of Health"-Kongress sein sollte, hat die Veranstalter des Hauses verwiesen. Ein Kunde aus den Niederlanden (dort sitzt die Zentrale von Jim Humble) hatte für zwei Tage die komplette Tagungsetage und 100 Zimmer gebucht. Für 200 Euro hätten sich Interessenten in den Räumen des Hotels erklären lassen können, wie sie MMS einsetzen können, berichtet Waindok.
Nachdem er sich aber über das "Wundermittel" informiert hatte, sei er von dem Vertrag zurück getreten, wie er SPIEGEL ONLINE bestätigt. Waindok verzichtet damit auf einen Umsatz in gut fünfstelliger Höhe. "So eine Organisation und Menschen, die ein Mittel anbieten, das Menschen schadet, die wollen wir nicht im Haus haben. Das ist unseriös."
Was ist MMS ?
Das angebliche Wundermittel besteht aus Natriumchlorit (nicht zu verwechseln mit Natriumchlorid, also Kochsalz) und einer Zitronensäure-Lösung als "Aktivator". Wird beides vermischt, entsteht Chlordioxid, ein giftiges Gas mit stechendem, chlorähnlichem Geruch. Chlordioxid wird als Bleichmittel von Papier und zur Desinfektion von Trinkwasser eingesetzt und verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden. MMS ist kein offizielles Arzneimittel, es gibt keine Zulassungsstudien, die die Sicherheit und Wirkung attestiert hätten.