Mutmaßliche Ehec-Quelle Heiße Spur, aber kein Beweis

Mutmaßliche Ehec-Quelle: Heiße Spur, aber kein Beweis
Foto: Ingo Wagner/ dpaHamburg - Wie haben sich die gefährlichen Ehec-Keime in Norddeutschland verbreitet? Die Behörden können nur mutmaßen. Sprossen aus einem niedersächsischen Betrieb gelten als mögliche Infektionsquelle - doch in ersten Untersuchungen konnten keine Keime gefunden werden.
Von 40 Sprossenproben des Gartenbaubetriebs in Bienenbüttel fielen 23 negativ aus, berichtet das niedersächsische Landwirtschaftsministerium. Bei 17 Proben waren die Analysen noch nicht abgeschlossen. "Wir halten an dem Verdacht fest", betont aber der Sprecher des niedersächsischen Verbraucherministeriums, Gert Hahne. "Unsere Kausalkette ist wasserdicht und plausibel. Sie reißt nicht ab."
Ein Team mit Fachleuten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Robert Koch-Instituts (RKI) ist in den Kreis Uelzen gereist, um gemeinsam mit Experten aus Niedersachsen den Betrieb zu durchleuchten. Die Hamburger Behörden, die bereits Proben von Sprossen - darunter auch fünf aus dem niedersächsischen Betrieb - analysiert hatten, entdeckten darin ebenfalls keine Ehec-Keime. Das bedeute aber nicht, dass die Erkenntnisse des niedersächsischen Verbraucherschutzministeriums in Zweifel zu ziehen seien, teilte das Hamburger Institut für Hygiene mit.
Dieser Inhalt verwendet veraltete Technologien und steht daher nicht mehr zur Verfügung
Der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Andreas Hensel, bat die Bevölkerung um Geduld: "Wir können die Gesetze der Biologie nicht aushebeln." Um Bakterien nachzuweisen, müsse man sie zunächst in Kulturen wachsen lassen - und das brauche Zeit.
"Bis wir Klarheit über die Quelle der Erkrankungen haben, gilt weiter die Warnung des Robert Koch-Instituts vor Gurken, rohen Tomaten und Blattsalat, erweitert um Sprossen", sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. Auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) bestätigte die Empfehlung, keine rohen Sprossen zu essen. Sie halte es für richtig, an dem Verzehrhinweis festzuhalten, "solange der Verdacht nicht vollständig ausgeräumt ist", sagte Aigner am Montag in Berlin. Bei den Untersuchungen der Sprossen aus dem Betrieb in Niedersachsen handele es sich "um eine wichtige Spur, die mit allem Nachdruck weiter verfolgt werden muss". Man dürfe dabei aber nicht andere Ermittlungsansätze aus dem Auge verlieren.
Die Behörden wollen jetzt bundesweit Produzenten und Importeure von Sprossen und deren Produkte überprüfen. Damit wolle man sicherstellen, dass nur unbelastete Ware auf den Markt gelange, sagte Aigner.
Vielleicht liefert der Kühlschrankfund eines Hamburgers in den kommenden Tagen den lang erwarteten Beweis, wie sich die Ehec-Keime ausbreiten konnten. Der 42-Jährige hat eine Packung Sprossen aus dem Gartenbaubetrieb in Bienenbüttel am Montag im Bezirksamt Eimsbüttel abgegeben. Die Packung trägt das Ablaufdatum 23. April, sie wird jetzt vom Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt untersucht. Der 42-Jährige hatte sich Anfang Mai mit dem Ehec-Erreger infiziert und war in einem Krankenhaus in Lüneburg behandelt worden. Er sei inzwischen wieder gesund, sagte die Leiterin der Lebensmittelüberwachung des Bezirks Hamburg-Eimsbüttel, Marianne Pfeil-Warnke.
Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka teile am Montag mit, er nehme rohe Sprossen vorsorglich aus dem Angebot. Auch Konkurrent Rewe und die zum Handelsriesen Metro gehörende SB-Marktkette Real nahmen Sprossen aus den Regalen. Real erklärte, man habe bereits in der vergangenen Woche alle Sprossen, aber auch vorgeschnittenen Salat aus dem Angebot genommen.
Ebbt die Welle ab?
Ob die Ehec-Epidemie endlich abebbt, lässt sich noch nicht sagen. Das RKI berichtet, dass sich seit Anfang Mai 1601 Menschen in Deutschland angesteckt haben, drei Viertel davon in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Dazu kommen 630 Patienten, die am hämolytisch-urämischen Syndrom (Hus) erkrankt sind.
In Hamburg ist die Zahl der Neuinfizierten im Vergleich zu den Vortagen etwas gesunken. Insgesamt steckten sich seit Anfang Mai in der Hansestadt 849 Menschen mit Ehec-Bakterien an, 151 werden wegen Hus behandelt. "Auch die heutigen Erkrankungszahlen geben zur Hoffnung Anlass, dass sich die Situation ein wenig entspannt", so Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks.
In Niedersachsen dagegen ebbt die Ehec-Welle nach Angaben der Behörden nicht ab. "Der Scheitelpunkt ist leider noch nicht erreicht", sagte Thomas Spieker, Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. Am Montag stieg die Zahl der Ehec-Patienten und Verdachtsfälle auf 503, weitere 96 Patienten litten am HU-Syndrom.
In Münster begannen Wissenschaftler mit einem Abgleich der Gene des aktuellen Erregers und eines früheren Stamms. Die Forscher erhoffen sich davon "wertvolle Hinweise darüber, was den aktuellen Ausbruchstamm so aggressiv macht", sagte Alexander Mellmann vom Institut für Hygiene in Münster. "Zum jetzigen Zeitpunkt erwarten wir allerdings noch keine unmittelbar diagnostisch oder gar therapeutisch verwertbaren Ergebnisse."
Die Untersuchungen sollen den Angaben zufolge zeigen, warum und in welcher Form sich der aktuelle Erregerstamm O104:H4 gegenüber einem zehn Jahre alten Erreger verändert hat. So verfügt der aktuelle Stamm zum Beispiel über eine neue Antibiotika-Resistenz.