Medizin-Nobelpreis Zell-Express im menschlichen Körper

Medizin-Nobelpreis: Zell-Express im menschlichen Körper
Foto: CorbisWie wichtig es ist, dass Transportvehikel genau anzeigen, wohin denn ihr Weg führt, weiß jeder aus praktischer Erfahrung. Wer beispielsweise wie der gebürtige Göttinger Thomas Südhof aus seiner Heimatstadt ins kalifornische Stanford reist, wird einige Male umsteigen müssen. Erst geht es mit dem Zug nach Frankfurt, von dort - mit Zwischenstopp - nach San Francisco, von wo es noch knapp 60 Kilometer über Land weitergeht. Nur weil an Bahnhöfen und Flughäfen genau angezeigt wird, welche Maschine welches Ziel ansteuert, ist es möglich, die Tour zum gewünschten Abschluss zu bringen.
Auch wenn die Wege deutlich kürzer sind: Im menschlichen Körper sorgt ein ähnlich ausgeklügeltes System für den Transport von Hormonen, Neurotransmittern und vielen andere Substanzen. Südhof wurde gemeinsam mit den US-Amerikanern James Rothman und Randy Schekman mit dem Nobelpreis für Medizin und Physiologie ausgezeichnet, weil er Entscheidendes über den sogenannten Vesikeltransport in Körperzellen herausgefunden hat. Die Basis-Mechanismen finden sich in sämtlichen Lebewesen, die über Zellen mit einem Zellkern verfügen.
Vesikel sind im Prinzip Bläschen oder Ballons, in deren Innerem Substanzen reisen können. Vesikel ist nicht gleich Vesikel: Die winzigen Fähren unterscheiden sich und steuern deshalb verschiedene Andockstellen an, wo sie ihre jeweilige Fracht abladen. Manche transportieren ihre Ladung innerhalb einer Zelle, andere reisen zur Zellmembran und sorgen dafür, dass ihr Gut die Zelle verlässt.

Medizin-Nobelpreis: In Vesikeln durch die Zelle
Krank durch Logistik-Fehler
Die Arbeiten der drei mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Forscher sind klassische Grundlagenforschung. Allerdings finden sich einige der Erkenntnisse schon in der medizinischen Diagnostik wieder. Und es ist möglich, dass auf Basis ihrer Forschung Medikamente entwickelt werden. Denn Störungen im Transportsystem der Zellen können krank machen, sie spielen unter anderem bei bestimmen Formen der Epilepsie eine Rolle. Und bei Diabetes Typ 2 ist der Transport des Hormons Insulin gestört. Manche Krankheitserreger blockieren zudem die Zell-Logistik. Der von Bakterien ausgelöste Botulismus etwa, eine Lebensmittelvergiftung, die tödlich enden kann, beruht auf einer Transportblockade.
Randy Schekman erforschte die genetischen Grundlagen des Transportsystems bereits in den siebziger Jahren. Er nutzte einen klassischen Modellorganismus dafür, die Hefe Saccharomyces cerevisiae. Hakte es bei der Zell-Spedition, sammelten sich Vesikel in bestimmten Zellregionen an und verstopften diese regelrecht. Schekman, der heute an der University of California in Berkeley forscht, identifizierte drei Klassen von Genen, die verschiedene Bereiche des Transportsystems steuern.
James Rothman, der heute an der Yale University in New Haven (US-Bundesstaat Connecticut) arbeitet, beschäftigte sich seit den achtziger Jahren mit dem Vesikeltransport in Säugetierzellen. Er fand heraus, wie die Ballons am richtigen Ort ihre Fracht abliefern. Proteine in der Vesikelhülle und am Zielort verbinden sich miteinander wie ein molekularer Reißverschluss. Ein Vesikel-Irrläufer würde demnach weiterwandern, ein passender Transporter dagegen andocken und abladen.
Thomas Südhof erforschte den Vesikeltransport in Nervenzellen, wo die Bläschen dafür sorgen, dass Neurotransmitter die Zelle verlassen, um Signale an Nachbarzellen weiterzuleiten. In den neunziger Jahren - da forschte Südhof schon in den USA - suchte er nach Proteinen in Nervenzellen, die auf Kalzium-Ionen ansprechen. So entdeckte er die Zellmaschinerie, die ein präzises Timing bei der Freigabe der Botenstoffe ermöglicht.