Nobelpreisträger Thomas Südhof "Ich würde gern wieder zurück nach Deutschland kommen"

Thomas Südhof wird mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Deutschland hat er vor Jahren den Rücken gekehrt. Im Interview erzählt der Forscher, warum er ging - und gern wieder in seiner Heimat leben würde. Es gibt da allerdings ein kleines Problem.
Nobelpreisträger Südhof: "Forschungsgelder könnten besser eingesetzt werden"

Nobelpreisträger Südhof: "Forschungsgelder könnten besser eingesetzt werden"

Foto: Jorge Guerrero/ AFP

Der Neurowissenschaftler Thomas Südhof, geboren 1955 in Göttingen, ist Professor an der Stanford University und leitet das dortige Südhof Laboratorium an der Medical School. Gemeinsam mit James Rothman und Randy Schekman erhielt er in diesem Jahr den Nobelpreis für Medizin.

SPIEGEL ONLINE: Herr Südhof, Gratulation zum Nobelpreis! Aber: Dürfen wir Sie überhaupt zu den deutschen Laureaten zählen, oder haben Sie längst die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen?

Südhof: Was soll ich sagen? Ich weiß es nicht - auch wenn es sich vielleicht seltsam anhört. Ich habe vor einigen Jahren einen amerikanischen Pass beantragt, wegen der Kinder. In Amerika gibt es sonst Schwierigkeiten, etwa wenn man krank wird. Ich glaube daher nicht, dass ich noch deutscher Staatsbürger bin, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Ich habe mich da nie so drum gekümmert.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind direkt nach Ihrer Promotion 1983 in die USA gegangen. Hat es Ihnen in Göttingen nicht mehr gefallen?

Südhof: Doch, und Victor Whittaker war ein phantastischer Doktorvater. Ich finde nur, jeder Wissenschaftler sollte eine Zeit im Ausland verbringen; ein Land sollte Forschern dazu die Möglichkeiten geben - natürlich aber auch versuchen, dass diese dann wieder zurückkommen.

SPIEGEL ONLINE: Sie selbst haben das ja auch getan, allerdings mit mäßigem Erfolg. 1995 kehrten Sie zurück, immerhin als Direktor des Max-Planck-Instituts für Experimentelle Medizin in Göttingen. Nach zwei Jahren war Schluss. Warum?

Südhof: Ganz ehrlich: Weil mir der damalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft dies nahegelegt hatte. Ich bin in dieser Zeit zwischen den USA und Göttingen gependelt, ich habe viel geforscht, viel versucht. Und Hubert Markl gefiel irgendwie nicht, wie ich arbeitete. Er meinte etwa, das Tierhaus, das ich geplant hatte, sei viel zu groß.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben also die Flucht ergriffen?

Südhof: Na ja, ich war sehr jung, ich habe die Situation nicht so gemeistert, wie ich es hätte können. Der Präsident hätte mir nichts gekonnt damals, aber ich war nicht selbstbewusst genug. Also habe ich mich nach einer anderen Stelle umgesehen.

SPIEGEL ONLINE: Und am Southwestern Medical Center der University of Texas war dann alles besser?

Südhof: Verstehen Sie mich nicht falsch, das Angebot damals war einfach zu gut, das konnte ich nicht abschlagen. Und ich konnte meinen Forschungsschwerpunkt frei wählen.

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Medizin-Nobelpreis: In Vesikeln durch die Zelle

Foto: AFP/ Nobelprizemedicine

SPIEGEL ONLINE: Viele Forscher gehen in die USA oder auch nach England, weil sie die Bedingungen für Wissenschaftler in Deutschland nicht gut finden. Wie beurteilen Sie das?

Südhof: Die Forschungslandschaft in Deutschland ist ausgezeichnet. Viele meiner Mitarbeiter, sehr gute Leute, sind wieder nach Deutschland zurückgegangen - und das gern. Deutschland hat extrem viel zu bieten.

SPIEGEL ONLINE: Klingt traumhaft. Haben Sie denn gar nichts zu kritisieren?

Südhof: Na ja, die Forschungsgelder könnten sicherlich etwas besser, zielgerichteter eingesetzt werden. Und die Max-Planck-Institute sollten enger an die Hochschulen angebunden werden.

SPIEGEL ONLINE: Warum kommen Sie dann nicht zurück?

Südhof: Beruflich bin ich wahrscheinlich zu alt dafür. Ich möchte gern so lange weiter forschen, wie ich das kann. In den USA geht das. Ansonsten würde ich wirklich sehr gern wieder zurück nach Deutschland kommen, schon damit meine beiden kleinen Kinder auch die Sprache lernen können.

SPIEGEL ONLINE: Als Neurowissenschaftler haben Sie nun alle Auszeichnungen erhalten, die man sich wünschen kann. Bestimmt gibt es dennoch Ziele, die Sie reizen, vielleicht die Simulation des gesamten Gehirns?

Südhof: Das ist ein wenig zu groß gedacht. Ich denke, dass es schon sehr wichtig wäre, wenn sich irgendwann einzelne Synapsen simulieren ließen. Ich würde gern herausfinden, warum diese bei Parkinson-Patienten verlorengehen.

SPIEGEL ONLINE: Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie sich mit gänzlich anderen Körperteilen beschäftigt. Mit der Leber, später dann mit der Entstehung von Cholesterin. Sie waren bei Michael Brown und Joseph Goldstein, die für die Erforschung der Regulierung des Cholesterin-Stoffwechsels 1985 einen Nobelpreis bekommen haben. War diese Auszeichnung seitdem Ihr Anspruch, Ihr Ansporn?

Südhof: Nein, es war nie mein großes Ziel. Man träumt vielleicht davon, aber es hätte mich nicht unglücklich gemacht, wenn ich den Preis nicht gewonnen hätte. Mir macht Forschung einfach unglaublichen Spaß.

SPIEGEL ONLINE: Sie gelten als akribischer Forscher, der mit einer unglaublichen Energie sehr konsequent seine Ziele verfolgt. War das immer schon so?

Südhof: Scheint so. Ich habe besonders zu Beginn meiner Forschungsarbeit an den Synapsen auf eine sehr breite Strategie gesetzt, wir haben damals unglaublich viele Proteine isoliert und kloniert. Viele Ergebnisse fielen damals unter den Tisch, andere brachten uns weiter.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben lange Jahre erforscht, wie Nervenzellen im Gehirn kommunizieren und welche Rolle die Vesikel - kleine Bläschen, die die Signale an Nachbarzellen überbringen - dabei spielen. Wann wurde Ihnen klar, dass Sie auf dem richtigen Weg waren?

Südhof: Als wir mit den alpha-Synucleinen arbeiteten, kleinen Proteinen im Gehirn. Sie sind sozusagen mein Herzstück. Wir haben das damals auch publiziert, den Nachweis für die Bedeutung des Sensors in den folgenden Jahren bewiesen.

SPIEGEL ONLINE: Wurden Sie nie ungeduldig, wenn Erfolge auf sich warten ließen?

Südhof: Warum sollte ich? Es gibt Aha-Erlebnisse, aber die sind in der Forschung tatsächlich selten. Wissenschaft ist ein kontinuierlicher Prozess. Es ist wie mit einer Kathedrale im Mittelalter, die langsam entsteht. Am Ende hat man etwas, worauf man stolz sein kann.

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