Die Sorge vor einer schnellen Verbreitung von Omikron ist groß: Seit vergangenen Sonntag gelten auch in Deutschland acht südafrikanische Länder als Virusvariantengebiete, einige Länder wie Israel oder Japan schließen ihre Außengrenzen komplett.
Prof. Wolfgang Preiser, Virologe Universität Stellenbosch
»Ob es noch gelingen wird, diese Variante einzufangen, bevor sie sich ausbreitet, ist eine gute Frage. Das hängt natürlich davon ab, wie aggressiv sie ist, wie leicht sie sich weiterverbreitet, aber auch, wie lange sie schon in andere Länder gebracht wurde.«
In Südafrika breitet sich die sogenannte Variante B.1.1.529 schnell aus. Nach einer relativ ruhigen Phase wird hier nun eine vierte Welle befürchtet, die Labore fahren wieder hochgefahren. So auch das von Professor Wolfgang Preiser; wir erreichen ihn in Kapstadt. Er leitet dort die Abteilung für Medizinische Virologie an der Universität Stellenbosch.
Prof. Wolfgang Preiser, Virologe Universität Stellenbosch
»Das wichtigste Merkmal, was auch den Anlass für die große Sorge ist und auch der Grund, warum die WHO es als »variant of concern« klassifiziert hat, ist die enorm hohe Anzahl an Mutationen. Also so viele Mutationen haben wir zusammen noch nicht gesehen.
Und darunter sind etliche, die wir von anderen Varianten kennen und von denen wir wissen, dass sie negative Auswirkungen mit sich bringen. Sprich ein immune escape, also ein Unterlaufen der Immunantwort oder eine leichtere Übertragbarkeit.«
Wie wirksam der Impfschutz gegen die neue Variante ist, muss noch untersucht werden.
Prof. Wolfgang Preiser, Virologe Universität Stellenbosch
»Wir haben hier ein landesweites System für die Covid-Impfung und können also Neu-Diagnosen abgleichen mit dem Impfstatus des Infizierten. Es wird also unglaublich aufschlussreich sein über die nächsten Wochen.
Aber ich gehe fest davon aus und da weiß ich die Kolleginnen und Kollegen auf meiner Seite, dass es eventuell sich um einen verminderten Immunschutz handelt, aber sicherlich nicht um eine drastische oder vollständige Reduzierung. Es ist so, dass wir vielleicht von weiteren 10-20 Prozent geringerer Schutzwirkung ausgehen müssen, aber es wird sicherlich weiterhin das Allerbeste sein, natürlich geimpft zu sein.«
Nur etwa 25 Prozent der Gesamtbevölkerung in Südafrika ist vollständig geimpft – trotz ausreichender Mengen an Impfstoff. Die Impfskepsis ist verbreitet, unter jungen Erwachsenen ist nur jeder Fünfte geimpft. Die meisten Omikronfälle fielen bislang in diese Altersgruppe – der Verlauf verlief eher mild.
Prof. Wolfgang Preiser, Virologe Universität Stellenbosch
»Die Risikogruppen, also die Älteren oder Personen mit chronischen Erkrankungen, die sind ja, soweit wir das bislang überblicken, noch gar nicht erfasst worden. Wir schauen sehr genau auf die Zahlen der Krankenhausaufnahmen, also diese ganzen verschiedenen epidemiologischen Parameter, die werden hier, weil wir vermuten, dass Südafrika hier dem Rest der Welt sicherlich etwas vorangeht, werden hier sehr eingehend und in Echtzeit untersucht. Also auch da erwarte ich mir demnächst nähere Aufschlüsse. Bislang: kein Hinweis, dass der Krankheitsverlauf schwerer ist als bei anderen Virusvarianten, aber auch keine zuverlässigen Hinweise, dass es sich hier um eine mildere Erkrankung handelt.«
Nach bisherigen Erkenntnissen geht Preiser davon aus, dass die gängigen PCR-Tests auch die Omikronvariante gut erfassen – und einige können möglicherweise sogar verschiedene Virusvarianten voneinander unterscheiden können. Ein solches Schnelltestkriterium könnte sehr nützlich sein, um einen Überblick zu verschaffen, wo überall die neue Variante bereits aufgetreten ist.
Skeptischer blickt der Forscher auf mögliche Nachfolgemutationen: Es ist kaum davon auszugehen, dass das Virus seine evolutionären Möglichkeiten bereits ausgeschöpft hat.
Prof. Wolfgang Preiser, Virologe Universität Stellenbosch
»Man hofft immer, das es jetzt sozusagen die Spitze der Entwicklung erreicht hat und jetzt kann es sich nicht weiter verändern. Aber ja, das werden wir sehen. Das, was interessant sein wird, ist zu sehen, wo kommt Omikron eigentlich her. Wir hatten ja gedacht, gut, Delta, Beta, die anderen Varianten, aus denen werden dann neue Varianten hervorgehen. Bei Omikron nachdem, was wir bislang wissen, das ist alles natürlich vorläufig, das läuft alles noch, sieht es so aus, als ob es nicht aus Delta hervorgegangen sei, noch aus Beta, was bei uns hier in Südafrika vor Delta vorherrschte. Also woher es kommt, das ist noch nicht klar und es wird sicherlich auch Aufschlüsse zulassen darüber, wohin wir gehen in der Mutanten- und Varianten-Reise.«