Urteil zu Apotheken Festpreise bei Medikamenten gelten auch online

Kein Rabatt: Festpreise auf rezeptpflichtige Arzneimittel gelten auch online
Foto: Patrick Pleul/ picture alliance / dpaKarlsruhe - Die Anhörung hatte Seltenheitswert: Gelten die deutschen Festpreise für rezeptpflichtige Medikamente auch für ausländische Online-Anbieter oder dürfen sie Rabatte gewähren - wie dies bislang passiert? Weil das Bundessozialgericht in Kassel Preisnachlässe der europäischen Versandapotheken in Form von Boni für zulässig hält, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe aber nicht, musste der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes angerufen werden - zuletzt hatte der Gemeinsame Senat 1986 mündlich verhandelt.
Die Richter haben am Mittwochabend entschieden, dass die deutschen Festpreise für rezeptpflichtige Medikamente auch für ausländische Online-Anbieter gelten - damit sind sie ganz auf der Linie der Bundesregierung geblieben. Die schwarz-gelbe Koalition plant eine Reform des Arzneimittelgesetzes, in der sie unter anderem die Preisbindung in Deutschland gegen ausländische Konkurrenz schützen will.
Bonussystem der Europa Apotheek Venlo entfachte den Streit
Nach dem deutschen Arzneimittelrecht müssen alle deutschen Apotheken rezeptpflichtige Arzneimittel zum selben Preis verkaufen. Rabatte oder Bonussysteme sind - zum Schutz der Patienten, wie es heißt - verboten. Unklar war bislang, ob sich auch ausländische Anbieter daran halten müssen.
Im konkreten Fall hatte die Engel-Apotheke aus Deutschland gegen die in den Niederlanden ansässige Versandapotheke Europa Apotheek Venlo geklagt. Der Streit betrifft indirekt aber die mehreren hundert Versandapotheken in Europa und die rund 21.000 Apotheken in Deutschland.
Die Europa Apotheek Venlo, die über das Internet Medikamente für den deutschen Markt anbietet, warb mit einem umstrittenen Bonussystem. Demnach solle der Kunde beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente auf Kassenrezept einen Bonus von drei Prozent des Warenwertes erhalten, mindestens aber 2,50 Euro und maximal 15 Euro pro verordneter Packung.
Rabatt von 2,50 Euro wettbewerbswidrig
Aus Sicht der klagenden Inlandsapotheke und des BGH sind die Boni wettbewerbswidrig, weil sie die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers unangemessen beeinflussen. Damit werde das deutsche Arzneimittelrecht verletzt, das nur sehr geringfügige Nachlässe auf Festpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel erlaubt - in einer Höhe von bis zu einem Euro.
Hätte der Gemeinsame Senat entschieden, dass die strenge deutsche Preisbindung für Versandapotheken aus dem Ausland nicht gelte, "wäre dies das Ende des Arzneimittelpreisrechts in Deutschland insgesamt", hatte der Rechtsanwalt der Engel-Apotheke, Morton Douglas, noch vor dem Richterspruch gewarnt. Nach seinen Angaben erwirtschaften die deutschen Apotheken 80 Prozent ihres Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Medikamenten.
Der Anwalt der Europa Apotheek Venlo, Matthias Siegmann, hatte entgegnet, dass es die Versandapotheken nun schon seit 2004 gebe. Dadurch habe nicht eine Apotheke in Deutschland schließen müssen. Von einem Untergang der Präsenzapotheken wegen der Versandapotheken könne keine Rede sein.
Im Gemeinsamen Senat konnte sich jetzt der Bundesgerichtshof mit seiner Ansicht durchsetzen. Er wollte in einem Verfahren die Preisbindung auch für EU-Anbieter festschreiben, sah sich aber durch ein früheres Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel daran gehindert. Dieses hatte im Jahr 2008 entschieden, dass die Beschränkungen nicht für Versandapotheken gelten, die Arzneimittel aus dem EU-Ausland nach Deutschland schicken.
Der Entscheidung war ein jahrelanger Streit vorausgegangen. Um diesen endgültig aufzulösen, wurde der Gemeinsame Senat einberufen. Er besteht aus den fünf Präsidenten der obersten deutschen Gerichtshöfe und jeweils zwei Richtern der beteiligten Senate.