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Stoff für Prothesen: Forscher entwickeln dehnbare Kunsthaut

Foto: Kim et al.

Signale ans Hirn Dehnbare Kunsthaut spürt Druck und Wärme

Forscher haben eine dehnbare Kunsthaut entwickelt, die Temperatur, Druck oder Feuchtigkeit messen kann. Diese Informationen kann sie sogar ans Gehirn weiterleiten - das haben jetzt Versuche mit Ratten gezeigt.

Die menschliche Haut hat drei Schichten, und dasselbe gilt für die künstliche Haut, die koreanische Forscher entwickelt haben. Ihre drei Ebenen bestehen allerdings nicht aus Zellen, sondern aus dem Kunststoff Polyimid. Die Kunsthaut kann Druck, Temperatur und Feuchtigkeit fühlen - und diese Informationen sogar an das Gehirn weiterleiten, erklären die Wissenschaftler um Dae-Hyeong Kim von der Nationalen Universität in Seoul. Das hätten Versuche mit Ratten gezeigt. Die Haut biete einzigartige Chancen für neue Klassen von Prothesen, schreibt das Team im Fachjournal "Nature Communications" .

In der obersten Schicht der dehnbaren Haut aus Korea liegen Kondensatoren, die Feuchtigkeit messen. Damit könne der Träger fühlen, ob etwa die Windel eines Säuglings nass ist. Die zweite Ebene enthält Siliziumbänder, die Dehnung, Temperatur und Druck messen können. Beim Drucksensor etwa fehlt ein Stück Polyimid, die Dehnung des Siliziumbandes in Hohlräume gibt Aufschluss über den ausgeübten Druck. Die unterste Ebene bildet eine Heizvorrichtung, die über einen elektrischen Widerstand die Kunsthaut auf 37 Grad Celsius oder mehr erwärmt. Eingebettet sind die drei Ebenen in Schichten aus dem Kunststoff Polydimethylsiloxan (PDMS).

Silizium in Kurven

Kernstück der Kunsthaut sind die winzigen Bänder aus Silizium, die teils in kurvigen Mustern angeordnet sind. Die Kurven ermöglichen, dass die Bänder sich dehnen lassen. Kim und Kollegen entwickelten Muster für verschiedene Zonen der Hand, die bei Bewegungen unterschiedlich stark strapaziert werden: Wo die Haut kaum gedehnt wird, sind die Siliziumbänder gerade und besonders empfindlich. Wo sie stärker gedehnt wird, etwa am Handgelenk, verlaufen die Bänder in Serpentinen.

Um die Sensoren der Kunsthaut an den Körper anzubinden, entwickelten die Forscher ein Elektrodenfeld, das an einen Nervenstrang angelegt werden kann. Die elektrischen Impulse der Sensoren gelangen so zu den Nervenbahnen des Kunsthautträgers.

Die Forscher prüften das Verfahren an einer Ratte: Sie legten das Elektrodenfeld an einen Beinnerv an und maßen an jener Stelle im Gehirn, die die Impulse dieses Nervs verarbeitet. Dabei fanden sie große Übereinstimmungen zwischen den Signalen des Drucksensors und den gemessenen Impulsen im Gehirn.

Internationale Forschung an fühlenden Prothesen

Das Elektrodenfeld besteht aus winzigen Platindrähten sowie Cerdioxid-Kügelchen, die eine Entzündung des lebenden Gewebes verhindern sollen. Ob das tatsächlich dauerhaft gelingt, sollen weitere Tierversuche zeigen. Auch müssten weitere Forschungen klären, dass keine Bruchstücke von Platindrähten in die Blutbahn gelangen können, schreiben die Wissenschaftler. Insgesamt aber sind sie zuversichtlich, dass ihre Kunsthaut "verbesserte Funktionen und hohe Leistungsfähigkeit auf dem sich entwickelten Feld der smarten Prothesen bereitstellt".

Weltweit forschen diverse Teams an sogenannten Neuroprothesen, die Signale ans Gehirn senden. Denn nur so können ihre Besitzer die Ersatzgliedmaßen nutzen, ohne sie ständig zu beobachten. Inzwischen ist es mehrfach gelungen, solche Neuroprothesen am Menschen zu testen. Ein marktfähiges Produkt dürfte aber noch Jahre in der Zukunft liegen.

khü/dpa

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