
"Goldenes Brett": Preis für vermeintlichen Krebsheiler
"Neue Germanische Medizin" Satirepreis für Doktor Scharlatan
Die Trophäe glänzt golden, wiegt so viel wie eine volle Milchtüte und ist so groß wie ein Oscar. Aber keiner will sie haben. Es handelt sich um das "Goldene Brett vorm Kopf", einen Satirepreis für Pseudowissenschaft, der am Dienstag parallel in Wien und Hamburg verliehen wurde. Was nach einer ulkigen Veranstaltung klingt, hat aber einen ernsten Hintergrund: Pseudowissenschaft kostet mitunter Menschenleben.
Bestes Beispiel ist der diesjährige Preisträger Ryke Geerd Hamer, seines Zeichens Erfinder der "Neuen Germanischen Medizin". Der "Fall Olivia" verschaffte ihm in den Neunzigerjahren eine gewisse Bekanntheit .
Der Tumor ist sechs Kilo schwer
Olivia Pilhar ist sechs Jahre alt, als die Ärzte einen Nierentumor feststellen. Ihre Eltern lehnen eine Chemotherapie ab und geben ihre Tochter stattdessen bei Hamer in Behandlung. Als die Behörden ihnen das Sorgerecht entziehen, flüchten die Pilhars gemeinsam mit Hamer nach Spanien und verstecken sich - wochenlang.
Erst als Olivia fast im Sterben liegt, kehren die Eltern zurück und übergeben sie widerwillig an ein Krankenhaus. Dort entfernen die Ärzte den inzwischen sechs Kilo schweren Tumor aus ihrer Niere. Das Mädchen überlebt und gilt heute als geheilt.
Schulmedizin sei "Ritual jüdischer Ärzte"
Olivias Vater Helmut Pilhar glaubt auch mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Vorfall an die "Germanische Medizin". "Die Logik als Ingenieur und die Liebe zu meinem Kind" hätten ihn von Hamers Therapie überzeugt, erklärte Pilhar auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Er bewertet die erfolgreiche, schulmedizinische Therapie seiner Tochter als "ein religiöses Ritual jüdischer Ärzte, welche vorgeben, 'unsere' Ärzte zu sein."
Lorenz Meyer, Journalist beim medienkritischen Bildblog , bezeichnete Pilhar in seiner Laudatio als "größten Jünger" Hamers. Meyer führte weiter aus, dass es vermutlich Hunderte Opfer der "Germanischen Medizin" gebe. Es gibt keine aktuellen Zahlen, doch 1995 fand der SPIEGEL heraus, dass von 50 Krebspatienten, die damals von Hamer behandelt wurden und deren Schicksal deutsche Behörden überprüften, nur sieben überlebten .
Trotzdem praktizierte Hamer weiter. Erst im September sollen zwei Italienerinnen gestorben sein, weil sie auf Anraten Hamers ihre Chemotherapie abbrachen, wie mehrere österreichische Medien berichteten .
Hamer lebt in Norwegen
Der 81-jährige Hamer hat bereits in den Achtzigerjahren seine Approbation verloren und saß mehrfach im Gefängnis. 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft Kempten wegen "fahrlässiger Tötung".
Hamer lebt in Norwegen - es besteht kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland. Von dort verbreitet er weiter seine Ansichten zur "Germanischen Medizin". Dazu hat Hamer die "Universität Sandefjord" gegründet, einen Kleinverlag, der seine Bücher vertreibt. Hamer erschien wie erwartet nicht zur Preisverleihung.
Hamer habe sich besonders durch die Gefährlichkeit seiner Thesen und seine erschreckende Kritikresistenz hervorgetan, sagte "Goldenes Brett"-Organisatorin Julia Offe bei der Verleihung. Er behauptet, Krankheiten wie Krebs oder Aids hätten ihre Ursache in "biologischen Konflikten", die es zu lösen gelte.
Und selbst wenn seine Patienten sterben, weicht er nicht von seiner Theorie ab. "Pseudowissenschaft ist eben nicht nur harmlose Spinnerei", betonte Offe.
Das "Goldene Brett" für das Lebenswerk ging an die Website "Zentrum der Gesundheit" (s. Bildergalerie).

"Goldenes Brett": Preis für vermeintlichen Krebsheiler
Xavier Naidoo kam nicht zur Verleihung
Berühmtester Preisträger ist der Musiker Xavier Naidoo der das "Brett" 2014 bekam. Naidoo hatte mehrfach die Verschwörungstheorie der sogenannten Reichsbürger verbreitet. Der Musiker kam damals nicht zur Verleihung.
Der einzige, der den Preis in seiner sechsjährigen Geschichte persönlich annahm, war 2011 der österreichische Dokumentarfilmer Peter Arthur Straubinger. Er hatte mit seiner Doku über "Lichtnahrung" die Theorie verbreitet, dass Menschen zum Überleben eigentlich kein Essen benötigten. Er bedankte sich damals für die Werbung für seinen Film.