Schweinegrippe
Länder kritisieren Pläne für weiteren Impfstoff-Kauf
Sollte Deutschland zusätzliche Impfdosen gegen die Schweinegrippe bestellen? Darüber wollen die Bundesländer am Montag beraten. Nach SPIEGEL-Informationen formiert sich derzeit aber in mehreren Ländern Widerstand gegen eine weitere Massenbestellung. Auch Ärztevertreter äußern sich kritisch.
Grippeimpfung (im August 2009 in Mainz): "Bereits bestellte Impfdosen für 30 Prozent der Bevölkerung ausreichend"
Foto: ddp
Hamburg - Wie schwer die Schweinegrippe in Deutschland zuschlagen wird, das weiß niemand. Das bundeseigene Robert-Koch-Institut (RKI) und das für Impfstoffzulassung zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wollen auf Nummer sicher gehen - und würden gern zusätzliche Impfstoffdosen kaufen lassen. Am Montag treffen sich dazu die Gesundheitsminister der Länder in Berlin.
Doch nach SPIEGEL-Informationen regt sich in den Ländern Widerstand gegen den Kauf weiterer Impfstoffe. Hamburgs Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU) sagt dazu: "Wir sind der Meinung, dass die bereits bestellten Impfdosen für 30 Prozent der Bevölkerung ausreichend sind." Kritik an den Maßnahmen gegen die Schweinegrippe kommt auch aus Bremen. "Keiner will sich vorwerfen lassen, im Falle des Falles nichts getan zu haben", sagt Matthias Gruhl, Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik in Bremen, dem SPIEGEL. "Dieses Sicherheitsdenken ist aber teuer: Es kostet mehr als eine Milliarde Euro, die auch an anderer Stelle im Gesundheitswesen genutzt werden könnte." Gruhl kritisiert, RKI und PEI würden zu sehr Einfluss auf die Politik nehmen, um "noch mehr Impfstoffe und noch mehr Medikamente zu kaufen".
Auch unter Virologen macht sich Nachdenklichkeit über die bislang eher schwach verlaufende Schweinegrippe-Pandemie breit. "Niemand hat damit gerechnet, dass diese Pandemie so milde verläuft", so Stefan Becker, Leiter des renommierten Instituts für Virologie der Universität Marburg, zum SPIEGEL. "Wahrscheinlich hätten wir früher gar nicht gemerkt, dass es zurzeit eine Pandemie gibt", sagt Virologe Becker. "Das ist in der Vergangenheit sicher häufiger passiert."
Impfmüdigkeit vor allem bei jungen Menschen
Auch die Bundesärztekammer hat sich gegen eine massenhafte Schweinegrippe-Impfung in Deutschland gewandt. Es entstehe "der Verdacht, dass die Interessen der Pharmaindustrie durch ihre Lobbyisten wieder einmal gut bedient werden", erklärte die Vizepräsidentin der Ärzteorganisation, Cornelia Goesmann, in einem Beitrag für die "taz". Sie forderte, dass lediglich Risikogruppen geimpft werden sollten. Eine weitgehende Durchimpfung der Gesamtbevölkerung sei dagegen nicht sinnvoll. Die Beschäftigten in medizinischen Betrieben erlebten die Realität der Schweingrippe "offenbar unisono als hysterische Panikmache ohne fassbaren Hintergrund", sagte Goesmann. Die Zahl ernsthaft erkrankter Menschen sei verschwindend gering geblieben.
Ab Herbst soll in Deutschland der Impfstoff zur Verfügung stehen. Die Bundesländer haben etwa 50 Millionen Dosen bestellt. Bei einer zweimaligen Impfung reicht diese Menge für 25 Millionen Menschen. Nach den zuletzt verfügbaren Zahlen des Robert-Koch-Instituts hat es in Deutschland seit Ende April bislang insgesamt 16.835 Schweinegrippe-Fälle gegeben.