Infektionen Antibiotika verfehlen Wirkung gegen Superverbreiter

Superverbreiter geben großzügig Krankheiten an ihr Umfeld weiter, wirken selbst aber völlig gesund. Besonders brisant: Offenbar können selbst Antibiotika ihr Ansteckungspotenzial nicht stoppen, zeigt eine Studie.
Superverbreiter (Archivbild): Trotz Infektion keine Krankheitssymptome

Superverbreiter (Archivbild): Trotz Infektion keine Krankheitssymptome

Foto: A9999 Iemm/Münster/ dpa

Einige Menschen und Tiere können auch nach einer Behandlung mit Antibiotika weiter Krankheitserreger verbreiten. Diese Superverbreiter ("Superspreaders") vertragen den Medikamenteneinsatz offenbar besser als eine Vergleichsgruppe, zeigt eine Studie mit Mäusen im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" .

Superverbreiter kommen sowohl bei Menschen als auch bei Tieren vor. So wurden etwa Lebensmittelvergiftungen mit Salmonellen und Kolibakterien auf Superspreaders in Viehherden zurückgeführt. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Studien nahelegt, dass eine Minderheit von Superverbreitern für die Mehrheit von Krankheitsübertragungen verantwortlich ist. Gemeinhin wird hier auf die 80/20-Regel von Vilfredo Pareto zurückgegriffen. Demnach verantworten 20 Prozent der infizierten Träger 80 Prozent der Infektionen.

Allerdings war bislang nur wenig darüber bekannt, was Superverbreiter von anderen Infizierten unterscheidet. "Zu wissen, wie man Superspreaders schnell und einfach identifiziert, könnte helfen, Epidemien einzugrenzen oder sie gar zu verhindern", betont Denise Monack von der Universität Stanford in einer Pressemitteilung ihrer Forschungseinrichtung.

Infektion lässt Superverbreiter kalt

Die Mediziner der Universität Stanford infizierten für ihre Studie Mäuse mit Salmonellen (Salmonella typhimurium). Danach bestimmten sie das Level der fäkal ausgeschiedenen Bakterien und fanden heraus, dass 30 Prozent der Mäuse zu den Superverbreitern gehörten: Sie schieden hohe Mengen Bakterien aus, hatten aber keine Symptome, ihr Immunsystem zerstörte die Bakterien nicht. Diese Mäuse hatten ein heruntergeregeltes Immunsystem. Anstatt die Bakterien zu bekämpfen, lebten die Superverbreiter damit.

Nach einer Behandlung mit bestimmten Antibiotika zeigten sowohl die Superverbreiter als auch die übrigen infizierten Mäuse Störungen des Darmtrakts. Während allerdings die normal infizierten Mäuse eine erhöhte Bakterienausscheidung, Entzündungsreaktionen und eine hohe Morbidität aufwiesen, waren bei den Superverbreitern keine Symptome zu erkennen. Die Forscher beobachteten außerdem, dass die Mäuse, die nicht zu den Superverbreitern gehörten, im Durchschnitt 15 Prozent ihres Körpergewichts verloren, die Superspreaders hingegen nur 2 Prozent.

Nach Angaben der Wissenschaftler könnte das ein Hinweis darauf sein, dass diese durch ihre Eigenschaft als Superverbreiter auch eine Toleranz gegenüber den antibiotisch begründeten Darmschädigungen und Entzündungsreaktionen haben. Ihr abgeschwächtes Immunsystem könne ihnen auch hier helfen. Sie seien weiterhin gesund genug gewesen, um Erreger zu verbreiten, so Monack.

Demnach habe die Antibiotikagabe in diesem Fall genau das Gegenteil des gewünschten Effekts erzielt. "Die Superverbreiter scheiden zwar nach der Behandlung mit Antibiotika weniger Bakterien aus als die anderen Mäuse. Diese sind allerdings zu schwach, um die Krankheit wirklich weiterzuverbreiten - im Gegensatz zu den Superspreaders", fasst die Medizinerin zusammen.

Ein Superverbreiter, 50 neue Infektionen

Es sei noch nicht klar, inwiefern diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen werden könnten, sagt Monack. Wenn weiter erforscht werde, wie das Immunsystem von Superverbreitern abgeschwächt wird, könne dies auch bei der Entwicklung von Therapien chronischer Darmentzündungen wie Morbus Chron helfen.

Wie wichtig die Erforschung der Superverbreiter insgesamt ist, zeigte die erste weltumspannende Epidemie dieses Jahrtausends: 2003 steckte ein chinesischer Arzt etwa ein Dutzend Menschen mit dem Schweren Akuten Respiratorischen Syndrom (Sars) an - die Weltgesundheitsorganisation (WHO) errechnete später, dass etwa die Hälfte der weltweit insgesamt rund 8000 registrierten Fälle der Viruserkrankung auf den Mann zurückging.

Auf ein anderes, historisches Beispiel verweist Monack: So sei die sogenannte "Typhus Mary" Anfang des 20. Jahrhunderts eine der berüchtigsten Superverbreiter in den USA gewesen. Mary Mallon schied große Mengen des Bakteriums Salmonella typhi aus - ohne selbst jedoch entsprechende Symptome auszubilden. Durch ihren Beruf als Köchin in wechselnden Haushalten steckte sie mehr als 50 Menschen mit der Infektionskrankheit Typhus an, bevor sie zwangsweise unter Quarantäne gestellt wurde. Mallon gilt heute als erste Person, die in den Vereinigten Staaten als asymptomatische Typhus-Trägerin identifiziert wurde.

Für Monack zeigt "Typhus Mary", wie hilfreich eine schnelle Erkennung von Superverbreitern etwa bei Menschen wäre, die mit Nahrungsmitteln arbeiten. Hier könnten die Studienergebnisse neue Hinweise geben. Derzeit ist eine Identifikation von Superverbreitern nur durch eine Stuhluntersuchung möglich. "Und dieses Verfahren ist selbst bei Vieh im besten Fall unbequem", so Monack.

jme/dpa
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