Leimpartikel im Blut Verwirrung um verunreinigte Injektionsnadeln

Impfnadel und Kanüle: Bestandteile des Klebstoffs können in den Körper gelangen
Foto: CorbisNiederländische Medien sind in Aufruhr: Am Montag strahlte der Fernsehsender EenVandaag einen Beitrag aus, wonach Kinder über einen längeren Zeitraum mit Millionen von fehlerhaften Injektionsnadeln geimpft worden sein sollen. Bei dem Hersteller handelt es sich um den Konzern Terumo, es ist einer der größten Medizinproduktehersteller Europas.
Dem Beitrag zufolge könnten die Injektionsnadeln Leimpartikel in den Körper abgeben, die möglicherweise gesundheitsschädlich sein können. Das Unternehmen selbst, so der Vorwurf, habe längere Zeit um die Verunreinigung gewusst, dies aber nicht den Behörden gemeldet.
Inzwischen haben weitere Medien in den Niederlanden den Beitrag aufgegriffen. Nach Ausstrahlung der Sendung empfahl das niederländische Gesundheitsamt, die betroffenen Nadeln zunächst nicht mehr zu verwenden, bis die Ergebnisse einer sofort gestarteten Untersuchung vorlägen.
Doch nicht nur in den Niederlanden herrscht Verwirrung um die Nadeln mit dem Markennamen "Terumo": Auch in anderen europäischen Ländern wie Belgien, der Schweiz und in Deutschland werden diese Nadeln vertrieben. Viele große Arzneimittelhersteller lassen die Spritzen von spezialisierten Firmen mit ihren Impfstoffen oder Medikamenten füllen.
Konkret geht es um einen Leimkleber, der laut Terumo häufig in Medizinprodukten eingesetzt wird. In diesem Fall, um die Nadel auf dem Kunststoffteil der Kanüle zu befestigen. Terumo zufolge wird diese Technik von allen Herstellern von Spritzen eingesetzt.
Was ist dran an den Vorwürfen? Hier die wichtigsten Fakten:
- Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärt auf Anfrage, dass "den Behörden in Europa derzeit keine konkreten und belastbaren Erkenntnisse über Mängel oder Risiken dieses Produktes vorliegen". Die Darstellung möglicher Risiken stützt sich nach Kenntnis des BfArM derzeit ausschließlich auf den niederländischen TV-Beitrag. Dennoch stehe das BfArM in der Frage möglicher Risiken im engen Austausch mit den Behörden in Belgien, den Niederlanden sowie mit der Europäischen Arzneimittelagentur.
- Auch die belgischen Behörden haben offenbar bisher keine größeren Bedenken: Die Bundesbehörde für Medizinprodukte (FAMHP) gab nach einer Inspektion der belgischen Niederlassung von Terumo in Leuven bekannt, dass die Kanülen derzeit weiter verwendet könnten. Man wolle die Untersuchungsergebnisse aber noch weiter auswerten.
- Hersteller Terumo bestreitet nicht, dass Bestandteile des Klebstoffs durch die Spritze in das Blut gelangen können: In eigenen Tests habe man 2012 festgestellt, dass in einer Reihe von Fällen winzige Klebeteile nicht verhärten, heißt es in einer Stellungnahme. Demnach handelt es sich bei der Substanz um Bisphenol-A-Diglycidylether, kurz BADGE. Dieses sei aber durch die Europäischen Behörden als unbedenklich für die Gesundheit eingestuft worden, sagt Pressesprecher Geerd Lamprecht SPIEGEL ONLINE.
- Laut einer Bewertung der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) ist BADGE nicht giftig oder krebserregend.
In manchen niederländischen Medien aber wurde BADGE mitunter mit der chemischen Verbindung Bisphenol A (BPA) verwechselt, die als potenziell gesundheitsgefährdend gilt. BADGE jedoch ist ein Abkömmling der umstrittenen Chemikalie.
In der Schweiz werde derzeit noch untersucht, ob es zu Komplikationen gekommen ist, sagt Peter Balzli, Pressesprecher der Zulassungsbehörde für Heilmittel Swissmedic, laut einem Bericht des Onlineportals Watson.ch. "Falls der verwendete Leim toxisch ist, dann handelt es sich um extrem kleine Mengen", sagte Balzli. Dennoch könnten die Leimteile im schlimmsten Fall Blutgefäße verstopfen. Bis dato seien aber keine entsprechenden Meldungen seitens Patienten oder Krankenhäusern eingegangen.
In der Schweiz will man abwarten, was die Überprüfungen anderer Arzneimittelbehörden ergeben. Auch das BfArM verweist auf die Experten in Belgien, die derzeit die Ergebnisse der durchgeführten Inspektion weiter auswerten. Auf Basis dieser Ergebnisse werde das BfArM bei Bedarf kurzfristig über mögliche weitere Schritte zum Schutz der Patienten entscheiden, sagt Sprecher Maik Pommer.