Tuberkulose Meeressäuger brachten Erreger nach Amerika

Die Tuberkulose erreichte nicht erst mit den Spaniern Amerika. Von der Küste Afrikas aus kam der Erreger schon Jahrtausende früher über den Ozean - mit Hilfe schwimmender Tiere.
Südamerikanischer Seebär (Arctocephalus australis): Mit Hilfe der ausgezeichneten Schwimmer überquerten die Tuberkulosebakterien das Wasser.

Südamerikanischer Seebär (Arctocephalus australis): Mit Hilfe der ausgezeichneten Schwimmer überquerten die Tuberkulosebakterien das Wasser.

Foto: INA/ Ricardo Bastida

So viel man ihnen auch vorwerfen kann - in einem Punkt sind die spanischen Eroberer tatsächlich unschuldig. Die Tuberkulose haben sie nicht nach Amerika gebracht. Die Erreger waren schon dort, als die spanischen Schiffe anlegten. Über das Meer kamen sie trotzdem: Offenbar wurde die Krankheit von Seelöwen und Seehunden nach Amerika eingeschleppt. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam um Johannes Krause vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Tübingen in einer Studie im Fachmagazin "Nature" . Außerdem fanden die Wissenschaftler Hinweise darauf, dass sich die gefährliche Infektionskrankheit vermutlich erst vor rund 6000 Jahren entwickelte.

Auch heute noch sterben an der Tuberkulose jedes Jahr ein bis zwei Millionen Menschen weltweit. Jeder dritte Mensch infiziert sich mit dem Erreger der Krankheit. Die Infektion ist schwer einzudämmen, da zahlreiche mehrfach resistente Bakterienstämme auftreten. Über den Ursprung der Krankheit diskutieren Fachleute schon lange. Bisher nahmen Wissenschaftler an, dass sich die Tuberkulose parallel zur Evolution des Menschen in Afrika entwickelte und vor Zehntausenden von Jahren über dessen Hauptwanderrouten ausbreitete. Heutige Tuberkulosestämme aus Amerika sind eng mit europäischen Formen verwandt. Deshalb lag der Verdacht nahe, dass die Bakterien über den Kontakt mit spanischen Eroberern nach Amerika kamen. Allerdings zeigen schon mehr als 1000 Jahre alte Skelette und Mumien aus Nord- und Südamerika charakteristische Veränderungen am Knochen, wie sie typischerweise von Tuberkulose verursacht werden.

Die Eroberer brachten neue Bakterien-Stämme

Die Forscher um Johannes Krause untersuchten drei über 1000 Jahre alte Tuberkuloseopfer aus Peru. Dabei analysierten sie das gesamte Genom der Krankheitserreger, die sie zuvor aus den Skeletten isoliert hatten. "Wir sind aufgrund der Veränderungen an diesen Skeletten und neueren molekularen Nachweisen davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine Form der Tuberkulose handelte", erklärt Jane Buikstra von der Arizona State University. "Wie jedoch diese älteren Tuberkulosestämme mit den aktuell auf dem amerikanischen Kontinent zirkulierenden Stämmen zusammenhängen, lag völlig im Dunkeln", sagt ihre Kollegin Anne Stone.

Die Forscher stellten fest, dass die engsten Verwandten dieser alten Erregerstämme heute bei Seehunden und Seelöwen vorkommen. Außerdem ergaben ihre Analysen, dass die Tuberkulose in der Form, wie wir sie heute kennen, vermutlich viel jünger ist als ursprünglich angenommen. Sie trat möglicherweise erstmals vor etwa 6000 Jahren auf. "Die Verwandtschaft zwischen den alten Erregern aus Menschen und den Bakterien in Seelöwen ergab sich völlig unerwartet", sagt Sebastien Gagneux vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut. "Dieser Stamm löst heute bei Menschen noch Erkrankungen aus, aber er ist sehr selten und sicherlich nicht für die üblichen Tuberkuloseinfektionen beim Menschen verantwortlich."

Mit den Seehunden aßen die Menschen die Bakterien

"Durch die Verbindung zu Seehunden und Seelöwen wird klar, wie an Säugetiere angepasste Krankheitserreger, die sich vor rund 6000 Jahren in Afrika entwickelten, 5000 Jahre später Peru erreichen konnten", sagt Johannes Krause von der Universität Tübingen und fügt damit die Puzzlesteine zusammen. Das wahrscheinlichste Szenario beginnt vor der Küste Afrikas: mit der Übertragung der Tuberkulose von einem der zahlreichen Wirte auf Seehunde. Die infizierten Tiere überquerten den Ozean und wurden auf der anderen Seite des Atlantiks von Menschen gejagt und gegessen - und mit ihnen die Bakterien.

anf
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