Umstrittene "Therapie" Katholische Ärzte wollen Homosexuelle mit Homöopathie kurieren

Ein katholischer Ärzteverband will die sexuelle Orientierung von Schwulen und Lesben mit ein paar Zuckerkügelchen ändern - nur auf deren Wunsch natürlich. Die Homo-Homöopathie stößt auf harsche Kritik.
BKÄ-Webseite (Screenshot): "Die Angebote sind gefährlich"

BKÄ-Webseite (Screenshot): "Die Angebote sind gefährlich"

Berlin - Beim Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) ist man stinksauer. Von einer "Zumutung" und einer "Beleidigung" ist die Rede und von "fehlendem Respekt gegenüber homo- und bisexuellen Menschen". Hintergrund ist eine Webseite des Bundes Katholischer Ärzte (BKÄ), auf der der Verband "Therapiemöglichkeiten von Homosexualität" präsentiert. Unter anderem hatte das Webmagazin Telepolis  darüber berichtet.

Der BKÄ sieht sich nach eigenen Angaben als "Stimme der katholischen Ärzteschaft". Unter dem Stichwort "Unser Auftrag" findet sich in der Selbstdarstellung der Initiative auch der Punkt "Hilfestellung für Suchende". Doch die vermeintliche Hilfe sorgt nun für heftige Kritik. Unmittelbar nach der Feststellung "Homosexualität ist keine Erkrankung!" schreibt der BKÄ auf seiner Webseite nämlich, es gebe "Therapieansätze gegen homosexuelle Neigungen".

Konkret aufgeführt werden Psychotherapie und die - ohnehin höchst umstrittene  - Homöopathie. In letzterem Fall könne eine "Konstitutionsbehandlung" mit entsprechenden Mitteln "in Hochpotenz" stattfinden, "z.B. Platinum". Führender Kopf hinter dem Bund Katholischer Ärzte ist Gero Winkelmann. Er war in den Neunzigern in der Minipartei Christliche Liga aktiv. Heute betreibt er eine Privatpraxis in Unterhaching. Schwerpunkt: Homöopathie.

"Wir wissen von vielen homosexuell empfindenden Menschen, die sich in einer geistig-psychischen Notsituation befinden und stark leiden", schreibt Winkelmann in einer Stellungnahme an SPIEGEL ONLINE. "Wenn sich jemand unglücklich, krank oder in einer Notsituation fühlt, soll er bei uns Hilfsmöglichkeiten aufgezeigt bekommen." Die Webseite sei "lange nicht gepflegt" worden - "weil das Thema derzeit für uns nicht brennend aktuell ist".

Gefragt nach den wissenschaftlichen Grundlagen für die aufgeführten "Therapiemöglichkeiten" führt Winkelmann ein ganzes Bündel vermeintlicher Quellen an: "ärztlich-psychotherapeutische, philosophische und theologische Fachliteratur", die "Minderheitenmeinung von Psychotherapeuten", die "Lehre der katholischen Kirche, die Heilige Schrift" und die "Homöopathie nach Samuel Hahnemann".

Mit wirkungslosen Medikamenten gegen eine inexistentes Leiden - der Lesben- und Schwulenverband hält den Hinweis auf die "Therapiemöglichkeiten" für inakzeptabel: "Die Angebote sind gefährlich. Sie benutzen die Verunsicherungen von homo- oder bisexuellen Jugendlichen beziehungsweise deren Eltern", sagt Verbandssprecherin Renate Rampf auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE.

Für Betroffene seien solche Angebote selbst dann problematisch, wenn sie "wie in diesem Fall geradezu lächerlich erscheinen". Rampf kritisiert, die vermeintlichen Hilfen würden "destabilisierend wirken" - nicht zuletzt, weil sie schlicht nicht funktionieren könnten. "Alle ernstzunehmenden Sachverständigen stimmen darin überein, dass die sexuelle Orientierung schon in frühester Kindheit geprägt wird."

Winkelmann verteidigt sich, sein Verband wolle "niemanden in eine 'kranke Ecke' drängen, verletzen oder bedrängen". Es gehe darum, "Stellungnahme und ärztliche Meinung abzugeben, ohne jemanden verletzen oder bevormunden zu wollen". Nach dem Motto "Wer hören will, der höre" wolle der BKÄ "keine akzeptable Hilfsmöglichkeit verschweigen".

Evangelische und katholische Kirche arbeiten sich am Thema ab

Unter dem Stichwort "Konversionstherapie" propagieren radikale religiöse Gruppen vor allem in den USA die "Heilung" von Schwulen und Lesben. Nicht immer kommen dabei so harmlose Zutaten wie Zuckerkügelchen zum Einsatz, sondern zum Teil auch Medikamente und Elektroschocks.

Der BKÄ präsentiert auf seiner Webseite das angebliche Statement eines Homosexuellen aus Süddeutschland. Darin wird dieser mit dem Satz zitiert, er habe "mit Freude festgestellt", dass der Verband "eine Veränderung homosexueller Neigungen durchaus für möglich" halte. Außerdem ist zu lesen, der Betroffene habe "das Gefühl, dass eine Veränderung bei mir durchaus möglich sein könnte", und suche deswegen nach professioneller Hilfe. Es sei allerdings schwer, einen Therapeuten von dieser Aufgabe zu überzeugen: "Leider ist wohl auch unter Psychotherapeuten die verbreitetste Meinung, Homosexualität sei angeboren und keinesfalls veränderbar."

Der Bund Katholischer Ärzte präsentiert auf seinen Seiten nicht die offizielle Kirchenlinie, sondern eine Privatmeinung. Und dennoch: Die katholische Kirche diskutiert immer wieder über den Umgang mit Homosexualität. Zuletzt hatte der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner dem Religionslehrer und Publizisten David Berger die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Dieser hatte sich als schwul geoutet. Daraufhin hatte die Kirche erklärt, Berger könne "nicht mehr glaubwürdig im Auftrag der Kirche katholischen Religionsunterricht erteilen".

Aber auch in der evangelischen Kirche haben religiöse Eiferer schon gegen Homosexuelle Front gemacht. So beklagten 30 westfälische Pfarrer im Jahr 2009 schwulenfreundliche Äußerungen ihres Landespräses Alfred Buß auf dem Kirchentag in Bremen. "Gelebte Homosexualität entspricht nicht der Schöpfungsordnung Gottes", wie sie in der Bibel beschrieben werde, erklärten die Pastoren in einem offenen Brief, aus dem das Internetportal Der Westen  zitiert hatte.

Wo "Therapien" gegen Homosexualität "diskreditiert" würden, verweigere man "Menschen, die unter ihren homosexuellen Empfindungen leiden, die Hilfe zur Veränderung", heißt es in dem Schreiben. Rhetorisch kommt das dem nun kritisierten Internetangebot der katholischen Ärzte recht nahe.

Die Weltgesundheitsorganisation hat die Homosexualität übrigens aus dem Katalog der Krankheiten ("International Code of Diseases") gestrichen. Und zwar am 1. Januar 1993. Der Schwulenverband hatte damals erklärt, damit gehe "für die Schwulen und Lesben mit 90 Jahren Verspätung das 19. Jahrhundert zu Ende". Möglicherweise hat man sich damals etwas zu früh gefreut.

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