Atomunfall Uno sieht keine Krebsgefahr durch Fukushima

Der Atomunfall von Fukushima löste weltweit Ängste vor Radioaktivität aus - besonders in Deutschland. Doch die Vereinten Nationen geben jetzt Entwarnung: Die Kraftwerkshavarie werde weder zu Todesfällen noch zu einer erhöhten Zahl von Krebserkrankungen führen.
Ruine des AKW Fukushima (September 2012): Uno geht von keinem erhöhten Krebsrisiko aus

Ruine des AKW Fukushima (September 2012): Uno geht von keinem erhöhten Krebsrisiko aus

Foto: DPA/ TEPCO

Wien - Das Erdbeben vom 11. März 2011 ließ gigantische Wellen über Japans Westküste hereinbrechen. Die Tsunamis rissen fast 16.000 Menschen in den Tod und führten auch zur Havarie des Atomkraftwerks Fukushima-Daiichi. Im Westen überlagerte der Atomunfall in der öffentlichen Wahrnehmung schnell die eigentliche Katastrophe: Selbst in Deutschland, Tausende Kilometer entfernt, grassierte die Angst vor Radioaktivität.

Die aber war unbegründet, wie eine umfassende Untersuchung der Vereinten Nationen jetzt ergab. Wie deren Komitee für die Folgen von Strahlung (Unscear) mitteilt, hat der Atomunfall weder Todesfälle verursacht, noch wird er einen Anstieg der Krebsfälle auslösen. Die Katastrophe vom März 2011 habe damit keine direkten Gesundheitsfolgen für die Bevölkerung, heißt es in der Studie.

Der Grund sei vor allem die schnelle Evakuierung der Region durch die japanischen Behörden, sagte Unscear-Mitglied Wolfgang Weiss am Freitag in Wien. Rund 160.000 Menschen waren in kurzer Zeit aus der Gefahrenzone gebracht worden. Die Strahlendosis für die Bewohner der Region sei dadurch auf ein Zehntel der Dosis gesunken, die sie abbekommen hätten, wenn sie geblieben wären. Die Dosis sei dadurch "so niedrig, dass wir für die Zukunft keinen Anstieg der Krebsfälle erwarten", sagte Weiss.

Geringere Jod-Dosis als in Tschernobyl

Der Unterschied zur Atomkatastrophe von Tschernobyl sei, dass die Menschen, die in der Nähe des ukrainischen AKW lebten, mit radioaktivem Jod verseuchte Milch getrunken hätten. Kinder gelten als besonders gefährdet. "In Tschernobyl haben viele Kinder Milch mit hohen Jodkonzentrationen getrunken", sagte Weiss. "Das hat zu einem Anstieg der Zahl von Schilddrüsenkrebs geführt." Die Schilddrüse ist das am stärksten betroffene Organ, weil sich das Jod in ihr anreichert.

In Japan aber sei die Situation eine völlig andere gewesen. Auch die Mengen an radioaktivem Cäsium, das sich deutlich länger hält als Jod, ließen keine vermehrten Krebsfälle in den kommenden Jahrzehnten erwarten.

Nach Einschätzung der Wissenschaftler leiden die Menschen allerdings psychisch und sozial, etwa unter der Evakuierung oder einer Stigmatisierung. "Die Erfahrung von Tschernobyl hat uns gezeigt, dass neben einer möglichen direkten Auswirkung auf die Physis die sozialen Folgen mit den einhergehenden Gesundheitseffekten in der betroffenen Bevölkerung besondere Aufmerksamkeit brauchten", sagte Unscear-Chef Carl-Magnus Larsson.

An der Fukushima-Studie der Unscear haben 180 Wissenschaftler aus 27 Ländern gearbeitet. Der Abschlussbericht soll im Herbst in New York vorgelegt werden. Die jetzt bekannt gewordenen Ergebnisse sind keine Überraschung. Schon im Februar hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Studie vorgelegt, die ebenfalls weitgehende Entwarnung gab. Der Unscear-Bericht ist laut Weiss nochmals zuverlässiger, da die ihm zugrunde liegenden Informationen einen längeren Zeitraum abdeckten als die der WHO-Studie. "Die WHO hatte kein vollständiges Bild der Lage", erklärte Weiss. "Das haben wir zwar auch nicht, aber wir hatten mehr als ein Jahr zusätzlich."

mbe/dpa/Reuters
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