Uno-Studien Strahlengefahr durch Fukushima-Gau geringer als befürchtet

Arbeiter am havarierten AKW Fukushima: Strahlenbelastung geringer als befürchtet
Foto: David Guttenfelder/ APGenf/Wien - Die Strahlenbelastung nach der Havarie des Atomkraftwerks Fukushima ist in Japan offenbar geringer als befürchtet und liegt meist innerhalb zulässiger Grenzwerte. Abgesehen von zwei Orten sei die radioaktive Strahlung seit der Reaktor-Havarie im März 2011 "sehr gering" und deutlich unterhalb der international als bedenklich angesehen Grenzwerte gewesen, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Im größten Teil der Präfektur Fukushima sowie im Rest Japans und in den benachbarten Ländern seien keine über dem Normalen liegenden Strahlenwerte festgestellt worden. In Fukushima hätten die geschätzten Werte mit Ausnahme der zwei stärker betroffenen Ortschaften unter zehn Millisievert gelegen.
Mit dieser Einheit wird die biologische Strahlenbelastung des Menschen angezeigt. Zehn Millisievert entsprechen etwa der Strahlung, die bei einem Computertomogramm entsteht. In den zwei Orten mit der stärksten Strahlung habe diese seit dem Unglück im Bereich zwischen 10 und 50 Millisievert (mSv) gelegen, heißt es in dem von der WHO bei unabhängigen Experten in Auftrag gegebenen Bericht .
Eine Strahlendosis von 50 mSv innerhalb eines Jahres gilt nach Angaben der an der Studie beteiligten Wissenschaftler als oberster zulässiger Grenzwert für Menschen, die beruflich mit Radioaktivität zu tun haben. Sie dürfe aber insgesamt in fünf Jahren 100 mSv nicht überschreiten; eine durchschnittliche Jahresstrahlenbelastung von maximal 20 mSv gilt als unbedenklich.
Bedenkliche Strahlendosen bei 167 Arbeitern
Zu einem ähnlichen vorläufigen Ergebnis kommt eine Studie des Uno-Komitees zu den Auswirkungen atomarer Strahlung (Unscear) mit Sitz in Wien. Nach Angaben des britischen Wissenschaftsmagazins "Nature" haben die Analysen ergeben, dass 167 Arbeiter in dem AKW Strahlendosen abbekommen haben, die zu einer leichten Erhöhung des Krebsrisikos führen könnten.
"Wenn es ein Gesundheitsrisiko gibt, dann bei den Arbeitern, die hohen Strahlungsmengen ausgesetzt waren", sagte Unscear-Chef Wolfgang Weiss. Doch selbst wenn es bei ihnen zu Krebsfällen kommen sollte, werde es schwierig sein, sie auf den Fukushima-Unfall zurückzuführen. Bisher habe keiner der Männer klinische Symptome einer Verstrahlung gezeigt. Zwar seien sechs Arbeiter seit dem Unfall gestorben, doch keiner dieser Todesfälle habe im Zusammenhang mit Strahlenbelastung gestanden.
Die Unscear-Forscher hatten die medizinischen Daten von 20.115 Menschen untersucht, die in Fukushima die Folgen der Havarie vom März 2011 bekämpft hatten. Demnach waren 146 Angestellte des AKW-Betreibers Tepco und 21 Mitarbeiter externer Firmen einer Strahlendosis von mehr als hundert Millisievert ausgesetzt. Bei sechs Arbeitern habe die Dosis über 250 mSv gelegen - jenem Höchstwert, den die japanischen Behörden für Notfall-Hilfskräfte vorschreiben. Zwei Mitarbeiter in den Kontrollräumen von Reaktor 3 und 4 hätten mehr als 600 mSv abbekommen, weil sie keine Kaliumtabletten eingenommen hätten. Sie sollen verhindern, dass der Körper radioaktives Jod-131 absorbiert.
Experten gehen angesichts der Daten nicht davon aus, dass die Zahl der Schilddrüsenkrebs- und Leukämiefälle in Japan durch den Reaktorunfall signifikant steigen wird. "Es könnte eine Erhöhung des Krebsrisikos geben, das statistisch nicht nachweisbar ist", sagte Kiyohiko Mabuchi, Leiter der Tschernobyl-Studien am National Cancer Institute in Rockville (US-Bundesstaat Maryland) zu "Nature". Bei der Katastrophe von Tschernobyl seien die Arbeiter weit höheren Strahlendosen ausgesetzt gewesen als in Fukushima. Von den rund 110.000 Helfern hätten bisher etwa 0,1 Prozent Leukämie bekommen, wobei aber nicht alle dieser Fälle auf den Reaktorunfall zurückzuführen seien.
Der vollständige Unscear-Bericht, der die Strahlenbelastung der rund zwei Millionen Bewohner der Präfektur Fukushima analysieren soll, wird voraussichtlich nächstes Jahr bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgestellt.