Ursprung des Coronavirus Labormitarbeiter in Wuhan offenbar vor Pandemieausbruch erkrankt

Das Wuhan Institute of Virology: Immer noch ist unklar, ob das Virus dort in die Umwelt gelangte
Foto: THOMAS PETER / REUTERSAuch anderthalb Jahre nach dem ersten Corona-Ausbruch ist nicht klar, wo das Coronavirus erstmals in die Umwelt gelangte und wie es den ersten Menschen infizierte. An unbestätigten Annahmen mangelt es nicht: Erstmals sei es auf einem Tiermarkt im chinesischen Wuhan in größerem Maßstab auf den Menschen übergegangen – so lauteten erste Berichte. Auch die Übertragung durch Gefrierfleisch oder Wildtierhandel sind als mögliche Ursprünge im Gespräch.
Aber immer wieder kursierten Gerüchte, das Virus könne auch durch einen Laborunfall in einem chinesischen Labor in Wuhan freigesetzt worden sein – und so habe die Pandemie anschließend ihren Lauf genommen.
Diese Theorie erhält nun neuen Aufwind: Laut US-Geheimdienstbericht suchten drei Forscher des chinesischen Wuhan Institute of Virology (WIV) im November 2019 ein Krankenhaus auf, weil sie Covid-19-ähnliche Symptome hatten, wie das »Wall Street Journal« am Sonntag berichtete.
Dem Geheimdienstbericht zufolge hätten die Labormitarbeiter bereits Wochen vor dem ersten Virusausbruch im Dezember 2019 an einer Covid-19-Infektion gelitten. Demnach ist es wahrscheinlicher, dass das Virus an dem Institut in Wuhan versehentlich freigesetzt wurde.
US-Außenministerium bezweifelt Glaubwürdigkeit von Labormitarbeiter
Das US-Außenministerium verfolgt diesen Verdacht schon länger und hatte in einer Bekanntmachung vom Januar mitgeteilt , es gebe »Grund zu der Annahme«, dass mehrere Forscher im Wuhan Institute of Virology im Herbst 2019 mit »Symptomen konfrontiert waren, die sowohl mit Covid-19 als auch mit häufigen saisonalen Krankheiten im Einklang stehen«. Präzisere Angaben dazu, wann die Forscher ins Krankenhaus eingeliefert wurden oder welche Symptome sie genau hatten, fehlten bisher jedoch.

Coronavirus in Wuhan: Eine Millionenstadt unter Quarantäne
»Das wirft Fragen zur Glaubwürdigkeit der leitenden WIV-Forscherin Shi Zhengli auf«, schreibt das Außenministerium. Hintergrund ist die Behauptung der Laborleiterin, es habe an dem Institut vor dem Ausbruch in Wuhan keine Fälle von Covid-19-Infektionen gegeben. Nun liefert der Geheimdienstbericht aber neue Details.
Die US-Behörden vermuten, dass China für die Pandemie verantwortlich sein könnte: Versehentliche Infektionen in chinesischen Laboren hätten bereits früher zu Virusausbrüchen geführt, heißt es. Darunter 2004 ein Sars-Ausbruch in Peking, bei dem neun Menschen infiziert und einer getötet wurde.
Zudem sei die internationale Coronavirus-Forschung ein Schwerpunkt des WIV gewesen. Seit 2016 hätten dazu in den Laboren in Wuhan Experimente und Untersuchungen an Mäusen, Fledermäusen und Pangolinen stattgefunden.
China weist die Vorwürfe zurück
»Die USA arbeiten weiterhin an der Laborlecktheorie«, kommentierte das chinesische Außenministerium in einer Stellungnahme gegenüber dem »Wall Street Journal«.
In seiner Erklärung verwies Chinas Außenministerium auf die Ergebnisse der Weltgesundheitsorganisation vom März. Der Bericht habe ergeben, es sei »äußerst unwahrscheinlich«, dass Covid-19 aus einem Laborleck stamme; eher sei das Virus von Fledermäusen auf den Menschen übertragen worden.
Nach dem neuesten Bericht der WHO, der Ende März offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, stuften die Fachleute es als »extrem unwahrscheinlich« ein, dass das Virus versehentlich aus einem Labor entwichen ist. Allerdings sind dem Bericht zufolge auch so gut wie alle Fragen noch offen.
Was die WHO-Experten gesichert wissen, ist nicht viel: Das Virus habe sich in Fledermäusen entwickelt; hier wurde die engste Verwandtschaft zu Sars-CoV-2 festgestellt. Zwischen den Genomen liegen aber Veränderungen, die mehrere Jahrzehnte Evolution in Anspruch genommen haben müssen. Deshalb ist das Virus dann »wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich« auf ein anderes Tier übergegangen, vielleicht ein Schuppentier. Wo und wie das geschah, ist weiterhin offen.
Allerdings erklärte WHO-Chef Tedros Ghebreyesus im März, dass es auch eine weitere Untersuchung der Laborlecktheorie geben solle. Dafür sehe er Bedarf. Denkbar seien »zusätzliche Missionen mit spezialisierten Experten, zu deren Entsendung ich bereit bin«, so Tedros.
Weiterhin gibt es Vorwürfe, dass China Daten und Informationen unter Verschluss hält. China will verhindern, als Verursacher der Pandemie an den Pranger gestellt zu werden. Kritiker argwöhnen, dass das Land den 17 internationalen Experten der WHO-Untersuchung nicht jeden gewünschten Zugang gewährte und bei der Erstellung des Berichts Druck ausübte. Teilnehmer haben das aber zurückgewiesen.