Fotostrecke

Resistenzen: Bakterien aus der Höhle

Foto: Max Wisshak

Millionen Jahre isoliert Uralt-Bakterien sind resistent gegen Antibiotika

Mediziner fürchten Bakterien, die nicht mit Antibiotika bekämpft werden können. In der Natur sind solche Keime offenbar häufiger als angenommen: Selbst Bakterien, die vier Millionen Jahre isoliert lebten, wehren sich gegen die Medikamente.

San Francisco - Resistente Bakterien machen Ärzten auf der ganzen Welt zunehmend zu schaffen. Antibiotika helfen immer häufiger nicht mehr, Erreger zu bekämpfen. Viele Fachleute gehen davon aus, dass der massenhafte Einsatz dieser Medikamente in den vergangenen Jahrzehnten Schuld an dem Phänomen ist - zumal schon kleinste Mengen von Antibiotikarückständen in Nahrungsmitteln die Verbreitung von resistenten Erregern begünstigen können.

Eine andere These ist, dass es von jeher Resistenzgene im Erbgut von Bakterien gab, die sich in der letzten Zeit lediglich rasant ausbreiteten. Frühere Studien hatten für beide Annahmen Argumente geliefert, krankten aber alle an einer grundlegenden Schwierigkeit: Der Gebrauch von Antibiotika in Landwirtschaft und Medizin ist heute so umfassend, dass es sehr schwierig ist, Mikrobengemeinschaften zu finden, die den Medikamenten nicht auf die eine oder andere Weise ausgesetzt waren. Genau das scheint Forschern um Gerry Wright von der McMaster University im kanadischen Hamilton nun gelungen zu sein, wie sie im Fachmagazin "PLoS One"  berichten.

Ihre Proben stammen aus der Lechuguilla-Höhle im Süden des US-Bundesstaates New Mexico. Das ist ein riesiges labyrinthartiges Höhlensystem, das über 500 Meter unter die Erde reicht und sich über mehr als 200 Kilometer erstreckt. Seit seiner Entdeckung im Jahr 1986 haben nur einzelne Forschergruppen Zutritt. Zudem liegt es unter einer dichten Schicht von Schluffstein, die praktisch kein Wasser durchlässt. Manche Teile in der Höhle sind daher seit mindestens vier Millionen Jahren nicht mehr mit der Oberfläche in Kontakt gekommen, so das Team.

In früheren Studien hatten Wright und seine Kollegen schon zeigen können, dass Antibiotika-Resistenzen schon vor 30.000 Jahren existierten. Dafür hatten sie Bodenproben aus dem Permafrostboden von Alaska verwendet. Die neuen Bakterienstämme aus der Lechuguilla-Höhle erlauben ihnen nun eine noch deutlich weiteren Blick zurück - und der lohnt sich. Denn das Phänomen ist noch deutlich älter als man es bisher zeigen konnte.

Drei Stämme gegen 14 Wirkstoffe resistent

Für ihre aktuelle Studie setzten die Forscher 93 in der Höhle entnommene Mikrobenproben 26 gängigen Antibiotika aus. Das Ergebnis: Fast alle Bakterienstämme waren gegen mindestens eines, die meisten sogar gegen drei bis vier der Medikamente resistent. Drei der Stämme besaßen Resistenzen gegen ganze 14 Wirkstoffe. Daher schlussfolgern die Wissenschaftler: Die Fähigkeit, Antibiotika unschädlich zu machen, ist ein zentrales, uraltes Merkmal von Bakterien.

Interessant seien vor allem die Mechanismen, die die Höhlenbakterien verwendeten. So nutzten einige Stämme beispielsweise eine bisher unbekannte Schwachstelle eines recht neuen, momentan noch sehr wirksamen Antibiotikums, um dieses zu entschärfen. Es sei wahrscheinlich, dass diese Art der Resistenz irgendwann auch bei Krankheitserregern auftrete, schreiben die Forscher.

Als nächstes wollen sie in der Höhle gezielt nach Substanzen suchen, die wie Antibiotika wirken. Sie könnten unter anderem von dortigen Mikroben oder Pilzen produziert werden. Denn eine solche Vielfalt von Resistenzen kann sich nach Ansicht der Wissenschaftler nur dort etablieren, wo es auch tatsächlich einen Grund gibt, sie aufrechtzuerhalten.

chs/dapd
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten