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Alan Turing: Code-Knacker, Mathe-Genie, Informatik-Pionier

Foto: AFP/SHERBORNE SCHOOL

60 Jahre nach seinem Tod Queen begnadigt schwulen Informatik-Pionier

Alan Turing gilt als Wegbereiter für das Computerzeitalter - mit tragischem Schicksal. Wegen seiner Homosexualität wurde der brillante Wissenschaftler in den fünfziger Jahren verurteilt, kurz darauf tötete er sich. Nun hat ihn Queen Elizabeth II. begnadigt.

London - Seine Fähigkeiten beim Knacken verschlüsselter Nachrichten halfen den Briten im Kampf gegen die Nazis. Seine Theorien legten den Grundstein für das Computerzeitalter. Und seine Arbeit am Konzept der künstlichen Intelligenz  belebt noch heute die Diskussionen darüber, ob Maschinen denken können. Alan Turing ist ohne Zweifel einer der bedeutendsten Informatik-Pioniere gewesen.

Doch der Öffentlichkeit wurde Turing nicht durch seine brillanten wissenschaftlichen Arbeiten bekannt, sondern durch seine Homosexualität. Er machte daraus kein Geheimnis, 1952 wurde Turing wegen schwerer Unzucht angeklagt. Zu dieser Zeit war gleichgeschlechtliche Liebe in vielen Ländern Europas strafbar. In Großbritannien änderte sich das erst 1967.

Das Gericht verurteilte Turing - weil er nicht ins Gefängnis wollte - zu einer sogenannten Therapie. Sie umfasste auch Injektionen mit dem weiblichen Hormon Östrogen - später als "chemische Kastration" bezeichnet. Die Behandlung setzte dem Mathematiker nicht nur körperlich, sondern auch seelisch zu. Von Depressionen geplagt, brachte er sich am 7. Juni 1954 um, kurz vor seinem 42. Geburtstag.

Nun, fast 60 Jahre später, hat Queen Elizabeth II. das Mathematik-Genie begnadigt. "Turing war ein außergewöhnlicher Mann mit einem brillanten Geist ", sagte Justizminister Chris Grayling in einer Erklärung. Den Umgang mit Turing bezeichnete Grayling als ungerecht: Der Code-Knacker verdiene es, für seinen phantastischen Einsatz während des Zweiten Weltkriegs und für sein wissenschaftliches Vermächtnis beachtet zu werden und in Erinnerung zu bleiben.

"Wir entschuldigen uns, du hättest es so viel besser verdient"

Turings Einsatz habe geholfen, den Krieg zu beenden und unzählige Menschenleben zu retten, sagte Grayling. Turing, 1912 in London geboren, hatte entscheidenden Anteil daran, den Code der deutschen Verschlüsselungsmaschine Enigma zu knacken. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er zusammen mit Kollegen in der Government Code and Cypher School auf dem inzwischen legendären Landsitz Bletchley Park daran. Doch über Jahrzehnte durfte kaum jemand etwas von den streng geheimen Arbeiten erfahren.

Die von ihm entwickelte Turing-Maschine schuf die Grundlage für moderne Computer. Sie ist, vereinfacht gesprochen, ein Schreib- und Lesekopf, wie wir ihn heute zum Beispiel von Festplatten kennen, der sich auf einem unendlich langen Speicherband bewegt. Dieses besteht aus einzelnen Feldern, die jeweils ein Zeichen beinhalten. Der Kopf rückt über das Band vor und zurück und verändert dabei die vorgefundenen Zeichen je nach Vorschrift des Programms, das sich ebenfalls auf dem Band befindet.

Prominente Wissenschaftler wie Stephen Hawking setzten sich in der Vergangenheit immer wieder für eine Aufhebung des Urteils gegen "einen der brillantesten Mathematiker der modernen Zeit" ein. Es dauerte lange, bis sich der britische Staat zu einer Entschuldigung durchringen konnte. Erst 2009 sagte der damalige Premierminister Gordon Brown: "Wir entschuldigen uns, du hättest es so viel besser verdient." Er sei stolz, dass die Tage der staatlichen Verfolgung Homosexueller Geschichte seien.

Doch noch Ende 2011 blockte das Justizministerium in London einen Vorstoß ab, Turings Verurteilung postum aufzuheben. Die Begründung: Er hätte schließlich gewusst, dass sein Tun zur damaligen Zeit strafbar gewesen sei. Aktivisten kämpften weiter für eine Begnadigung Turings, ab Sommer 2012 auch mit Unterstützung der Regierung. Premierminister David Cameron nannte Turing "einen bemerkenswerten Mann, der eine Schlüsselrolle bei der Rettung des Landes im Zweiten Weltkrieg", gespielt habe.

Die jetzige Entscheidung der Queen war laut Grayling erst die vierte Begnadigung durch einen Monarchen in Großbritannien seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

wit/AP/Reuters
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